Die stumme Bruderschaft
Handel.«
»Nein, das ist es nicht. Ihr wisst so gut wie ich, dass das Mandylion die einzig echte Reliquie der Christenheit ist.«
»Das Angebot des Königs ist großzügig. Mit zwei Säcken Gold kann Balduin seine vielen Schulden begleichen.«
»Das reicht nicht aus.«
»Ihr wisst so gut wie ich, dass zwei Säcke Gold, jeder von dem Gewicht eines Mannes, viele Probleme des Reiches lösen werden. Das Angebot ist mehr als großzügig, für den Fall, dass der Kaiser Ludwig das Mandylion für immer überlässt: Dann bekommt er einen Pachtzins bis ans Ende seines Lebens. Wenn er die Reliquie hingegen nur vermietet … Nun, ich weiß nicht, ob es ihm je möglich sein wird, seinem Onkel die zwei Säcke Gold zurückzuzahlen.«
»Doch, das wisst Ihr genau. Ihr wisst so gut wie ich, dass er das Mandylion kaum je zurückholen kann. Habt Ihr die beiden Goldsäcke denn dabei?«
»Ich habe ein von Ludwig unterzeichnetes Dokument, in dem er sich zu der Zahlung verpflichtet. Und ich habe etwas Gold als Vorschuss dabei.«
»Welche Sicherheit könnt Ihr uns geben, dass die Reliquie heil in Frankreich ankommt?«
»Wie Ihr wisst, reise ich mit einer großen Eskorte. Ich bin bereit, so viele Männer aufzunehmen, wie Ihr für notwendig erachtet, um uns zu einem sicheren Hafen zu geleiten. Ich setze mein Leben und meine Ehre ein, um das Mandylion nach Frankreich zu bringen. Wenn der Kaiser das Angebot annimmt, werden wir König Ludwig eine Botschaft schicken.«
»Wie viel Gold habt Ihr?«
»Zwanzig Pfund.«
»Ich werde Euch rufen lassen, wenn der Kaiser seine Entscheidung getroffen hat.«
»Ich werde warten. Ich gestehe, es macht mir nichts aus, noch ein paar Tage in Konstantinopel zu bleiben.«
Die beiden Männer neigten die Köpfe und gingen auseinander.
François de Charney übte sich mit den anderen Tempelrittern im Bogenschießen. André de Saint-Remy beobachtete ihn vom Fenster des Kapitelsaales aus. Aufgrund seines Äußeren hätte man ihn genau wie seinen Bruder Robert für einen Muselmanen halten können. Beide hatten stets betont, dass das notwendig sei, damit sie sich möglichst ungehindert im Feindesland bewegen konnten. Sie vertrauten zudem auf ihre sarazenischen Knappen, die sie fast wie Gleichgestellte behandelten.
Im Lauf so vieler Jahre im Orient hatte der Templerorden sich verändert. Die Tempelritter hatten die Werte ihrer Feinde schätzen gelernt, sie hatten sich nicht nur darauf beschränkt, sie zu bekämpfen.
Guillaume de Sonnac war ein umsichtiger Mann, und er hatte sogleich Roberts und François’ Eignung zum Spion entdeckt, und so hatten sie diese Aufgabe übernommen.
Beide sprachen fließend arabisch, und wenn sie mit ihren Knappen redeten, verhielten sie sich genau wie diese. Mit ihrer sonnengebräunten Haut und der Kleidung adeliger Sarazenen konnte man in ihnen nur schwer die christlichen Ritter erkennen, die sie in Wahrheit waren.
Sie hatten ihm von ihren unzähligen Abenteuern im Heiligen Land erzählt, vom Zauber der Wüste, wo sie gelernt hatten, zu überleben, von den Texten der griechischen Philosophen der Antike, die dank der sarazenischen Weisen gerettet wurden, von der Kunst ihrer Medizin.
Die jungen Männer konnten ihre Bewunderung für die Feinde nicht verbergen, und das hätte André de Saint-Remy Sorgen bereitet, wenn er sich nicht mit eigenen Augen von der Ergebenheit und der Ehrenverpflichtung der beiden gegenüber dem Templerorden hätte überzeugen können.
Sie würden in Konstantinopel bleiben, bis der Ordensobere ihnen das Mandylion übergeben würde, damit sie es nach Acre brächten. André de Saint-Remy hatte Bedenken geäußert, sie mit der wertvollen Reliquie allein loszuschicken, aber sie hatten ihm versichert, nur so würde sie heil an ihrem Ziel ankommen, in der Festung von Saint Jean d’Acre, wo ein Großteil der Schätze des Templerordens aufbewahrt wurde. Dazu musste Saint-Remy das Grabtuch Christi natürlich erst einmal haben, und das erforderte Geduld und Diplomatie und insbesondere Klugheit, aber über all das verfügte der Ordensobere von Konstantinopel.
Balduin hatte sein festlichstes Gewand angezogen. De Molesmes hatte ihm geraten, niemanden über den Besuch beim Bischof zu informieren.
Pascal de Molesmes hatte persönlich die Soldaten ausgewählt, die sie begleiten sollten und auch die, die die Blanchernenkirche umstellen sollten.
Der Plan war einfach. Am späten Abend würde der Kaiser im Bischofspalast erscheinen. Er würde den Bischof
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