Die stumme Bruderschaft
Mutter des Jungen war orthodoxe Jüdin und sie hätte nie zugelassen, dass ihr Sohn eine Heidin heiratet. So ist sie konvertiert und geht jetzt jeden Samstag in die Synagoge. Sie glaubt an nichts, aber sie geht trotzdem hin.«
»Gut, das ist die Geschichte von deiner Freundin. Aber wir haben hier zwei Türken, die den Stummen töten wollen.«
»Ja, aber sie wollen ihn töten, und nicht der Cousin. Mach nicht ihn zum Verdächtigen, nur weil er in die Kirche geht.«
Pietro kam herein, eine Minute später auch Antonino und Giuseppe. Sofia war die Letzte.
Minerva setzte sie ins Bild, was sie in den letzten Stunden getan hatten, und auf Marcos Anweisung bekamen alle eine Kopie des Berichts zu lesen.
»Und?«, fragte Marco, als alle zu Ende gelesen hatten.
»Es sind keine Mörder. Wenn man ihnen den Auftrag erteilt hat, dann stehen sie in irgendeiner Beziehung zu dem Stummen, oder jemand, der den Stummen kennt, hat großes Vertrauen zu ihnen«, argumentierte Pietro.
»Im Gefängnis gibt es Männer, die hätten ihn kaltgemacht, ohne mit der Wimper zu zucken, aber entweder gehört der, der den Auftrag erteilt hat, nicht zum Milieu, oder, wie Pietro sagt, er hat aus uns unbekannten Gründen besonderes Vertrauen in diese beiden Brüder, die den Akten nach keineswegs außergewöhnlich sind. Sie standen nie in Beziehung zur Unterwelt, sie haben jemanden umgebracht, okay, aber bei einer Messerstecherei unter Betrunkenen.«
»Gut, Giuseppe, sag mir was, was ich nicht schon weiß«, drängte ihn Marco.
»Ich glaube, dass sowohl Giuseppe als auch Pietro etwas Wichtiges gesagt haben«, warf Antonino ein. »Da ist irgendwo ein Bindeglied, das wir finden müssen, jemand, der den Stummen tot sehen will, weil er weiß, dass er uns zu ihm führen kann. Und das heißt, dass es irgendwo ein Loch gibt: Jemand weiß etwas von der Operation Trojanisches Pferd. Sie hätten den Stummen schon längst erledigen können, aber sie wollen es ausgerechnet jetzt tun.«
Einige Sekunden lang herrschte nachdenkliches Schweigen. Antoninos Argumente schienen ins Schwarze getroffen zu haben.
»Aber wer weiß von der Operation?«, fragte Sofia.
»Zu viele Leute«, antwortete Marco. »Und Antonino hat Recht, sie wollen ihn jetzt töten, um zu verhindern, dass er uns zu ihnen bringt. Also kennen sie unsere Schritte im Voraus. Minerva, Antonino, sucht mir weitere Informationen über die Familie Bajerai, sie müssen mit jemandem in Verbindung stehen, der unseren Mann töten lassen will. Geht alles noch einmal durch, auch das unbedeutendste Detail. Ich gehe wieder ins Gefängnis.«
»Warum sprechen wir nicht mit den Eltern und dem Cousin der Bajerai?«, fragte Pietro.
»Wenn wir das tun, wirbeln wir zu viel Staub auf. Nein, wir dürfen uns nicht noch mehr aus dem Fenster lehnen. Wir können den Stummen auch nicht aus dem Gefängnis holen, er würde Verdacht schöpfen und uns nicht zu der Organisation führen. Wir müssen dafür sorgen, dass er am Leben bleibt, und ihn von den Bajerai fern halten«, antwortete Marco.
»Und wer kümmert sich darum?«, fragte Sofia.
»Ein Drogenboss, ein gewisser Frasquello. Ich habe mit ihm ausgemacht, dass der Sicherheitsausschuss sich seiner Akte annimmt. Los, an die Arbeit.«
Am Empfang trafen sie auf Ana Jiménez. Sie zog ihren Koffer Richtung Tür.
»Das muss aber wichtig sein … das ganze Team«, scherzte sie.
»Sie reisen ab?«
»Ja, ich reise nach London und von dort nach Frankreich.«
»Dienstlich?«
»Ja, dienstlich. Vielleicht rufe ich sie an, Dottoressa, kann sein, dass ich Ihren Rat brauche.«
Der Portier sagte ihr Bescheid, dass das Taxi da war, und so verabschiedete sie sich lächelnd.
»Dieses Mädchen macht mich nervös«, gestand Marco.
»Du hast sie nie gemocht.«
»Nein, du irrst dich, ich mag sie, aber es gefällt mir nicht, dass sie sich in unsere Arbeit einmischt. Wozu fährt sie nach London? Und dann nach Frankreich. Entweder sie weiß etwas, was uns entgangen ist, oder sie will eine ihrer verrückten Theorien beweisen.«
»Sie ist alles andere als dumm, und vielleicht sind ihre Theorien gar nicht so verrückt«, antwortete Sofia. »Schliemann hat man auch für übergeschnappt gehalten, und er hat Troja gefunden.«
»Das hat dem Mädchen noch gefehlt, dass du die Rolle ihrer Verteidigerin übernimmst. Es ärgert mich, dass sie nach London reist, weil ich nicht weiß, was zum Teufel sie da zu suchen hat, aber es ist klar, dass es mit dem Grabtuch zu tun hat. Ich werde Santiago
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