Die stumme Bruderschaft
Kaffee ab, sie wollte ihr Make-up nicht ruinieren. Sie dachte, dass Bruno Moretti bestimmt die Aufgabe hatte, sie auszuhorchen, aber der ließ sie allein in dem überwältigenden Raum, an dessen Wänden ein Canaletto, ein Modigliani, ein Braque und ein kleiner Picasso hingen.
Sie war ganz in den Modigliani vertieft und merkte nicht, dass die Tür aufgegangen war und ein großer, gut aussehender Mann über fünfzig sie streng und zugleich neugierig ansah.
»Guten Tag, Dottoressa Galloni.«
Sofia drehte sich um, und da stand Umberto D’Alaqua. Sie fühlte, dass sie rot wurde, so als hätte sie etwas Verbotenes getan.
D’Alaqua war eine imposante Erscheinung, nicht nur wegen seiner Statur und Eleganz, sondern auch wegen der Selbstsicherheit, die er ausstrahlte. Selbstsicherheit und Stärke, sagte sie sich.
»Guten Tag, entschuldigen Sie, ich habe mir Ihren Modigliani angesehen, er ist echt.«
»Natürlich ist er das.«
»Es gibt so viele Fälschungen, aber dieser ist eindeutig echt.«
Wie dumm von ihr. Wie sollte ein Modigliani im Besucherraum eines so mächtigen Mannes nicht echt sein! D’Alaqua hielt sie bestimmt für dumm, sie hatte Blödsinn dahergeredet – aber wie sollte er auch wissen, dass er sie durch seine bloße Anwesenheit verunsichert hatte.
»In meinem Büro ist es angenehmer, Dottoressa.«
Sofia nickte. Das Büro von D’Alaqua war beeindruckend. Moderne Designermöbel, sehr bequem, und die Wände voll mit Bildern alter Meister. Mehrere Zeichnungen von Leonardo da Vinci, eine Madonna aus dem Quattrocento, ein Christus von El Greco, ein Harlekin von Picasso, ein Miró … auf einem kleinen Tisch in einer Ecke fiel ihr ein einfaches Kruzifix aus Olivenholz auf.
Umberto D’Alaqua bedeutete ihr, auf dem Sofa Platz zu nehmen, und er setzte sich neben sie in einen Sessel.
»Schön, Dottoressa, womit kann ich dienen?«
»Signor D’Alaqua, wir vermuten, dass der Brand in der Kathedrale absichtlich gelegt wurde. Wir glauben, dass keiner der Vorfälle in der Kathedrale Zufall war.«
D’Alaqua verzog nicht eine Miene. Er zeigte sich weder besorgt noch überrascht. Er sah sie ruhig an und wartete darauf, dass sie weitersprach, als hätte das alles überhaupt nichts mit ihm zu tun.
»Vertrauen Sie den Männern, die die Bauarbeiten in der Kathedrale ausführen?«
»Dottoressa, COCSA ist eine von vielen Firmen, bei denen ich den Vorsitz habe. Sie werden verstehen, dass ich nicht alle Angestellten persönlich kenne. In dieser Firma gibt es wie in jeder anderen auch eine Personalabteilung, und ich bin sicher, dass man Ihnen dort alle notwendigen Daten über die Männer gegeben hat. Wenn Sie noch mehr Informationen benötigen, werde ich den Personalchef von COCSA gerne bitten, sich zu Ihrer Verfügung zu halten und Ihnen zu helfen, wo er kann.«
D’Alaqua griff zum Telefon und bat darum, mit dem Personalchef verbunden zu werden.
»Signor Lazotti, ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie Dottoressa Galloni vom Dezernat für Kunstdelikte empfangen könnten. Sie braucht noch mehr Informationen über die Arbeiter in der Kathedrale. In ein paar Minuten wird mein Sekretär sie in Ihr Büro bringen. Danke.«
Sofia war enttäuscht. Sie hatte gedacht, dass D’Alaqua überrascht wäre, wenn sie ihm offen sagte, dass sie den Verdacht hatte, dass die Vorfälle in der Kathedrale absichtlich herbeigeführt worden waren, aber seine einzige Reaktion war, sie zum Personalchef zu schicken.
»Kommt es Ihnen abwegig vor, was ich gesagt habe, Signor D’Alaqua?«
»Dottoressa, Sie sind Profis, und Sie machen Ihre Arbeit gut. Ich habe keine Meinung hinsichtlich Ihres Verdachts oder der Richtung Ihrer Ermittlungen.«
Er sah sie weiterhin ruhig an; es war klar, dass das Gespräch an dieser Stelle beendet war, und Sofia war verärgert. Sie wollte noch nicht gehen, sie hatte das Gefühl, aus dem Gespräch nichts herausgeholt zu haben.
»Kann ich noch etwas für Sie tun, Dottoressa?«
»Nein, eigentlich nicht. Wir wollten Sie nur davon in Kenntnis setzen, dass wir den Verdacht haben, dass der Brand kein Unfall war, und Ihr Personal deshalb gründlich unter die Lupe nehmen werden.«
»Signor Lazotti wird Ihnen alle nötigen Informationen über die COCSA geben.«
Sie gab sich geschlagen. D’Alaqua würde kein Wort mehr sagen. Sofia stand auf und reichte ihm die Hand.
»Ich danke Ihnen für Ihre Unterstützung.«
»Freut mich, Sie kennen gelernt zu haben, Dottoressa Galloni.«
Sofia war wütend auf sich selbst,
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