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Die stumme Bruderschaft

Die stumme Bruderschaft

Titel: Die stumme Bruderschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Navarro
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Marcius ganz versunken in seine Arbeit. Der Vorarbeiter beobachtete ihn aus den Augenwinkeln. Marvuz hatte ihn bestochen, den Architekten auszuspionieren, und er hatte sich darauf eingelassen. Er bedauerte es, den Alten zu verraten, er war immer gut zu ihm gewesen, aber Marcius’ Tage waren gezählt und Marvuz hatte gesagt, Maanu werde sich für seine Dienste erkenntlich zeigen.
    Die Sonne stand im Zenit, als Marcius dem Vorarbeiter sagte, sie sollten eine Ruhepause einlegen. Der Schweiß rann über die Körper der Arbeiter, und Jeremín war müde.
    Zwei junge Diener aus Marcius’ Haus kamen in diesem Moment mit Körben voll frischen Früchten und Wasser, und der Architekt teilte alles mit seinen Arbeitern.
    Eine Stunde lang ruhten sie sich aus, obwohl Marcius wie so oft mit seinen Plänen beschäftigt schien. Er kletterte auf dem Gerüst herum, überprüfte die Festigkeit der Mauer, die sie gerade erweiterten, und die Konturen des Tores, das er mit Ornamenten verziert haben wollte.
    Der Vorarbeiter schloss erschöpft, wie er war, die Augen, und auch die anderen Arbeiter dösten vor sich hin.
     
    Erst als die Sonne unterging, gab Marcius den Befehl, die Arbeit einzustellen. Wenig hatte Jeremín von Marcius’ Aktivitäten zu berichten, als er sich auf den Weg zum vereinbarten Treffen mit Marvuz machte. Der Architekt verabschiedete sich und ging in Begleitung seiner Diener nach Hause.
    Marcius, der kinderlos und seit Jahren verwitwet war, behandelte die beiden jungen Diener wie seine eigenen Söhne. Sie waren Christen wie er, und er wusste, dass sie ihn nicht verraten würden.
    Bevor sie am Vorabend den Palast verlassen hatten, war er mit Thaddäus und Josar übereingekommen, dass er ihnen eine Nachricht zukommen ließe, sobald er wüsste, wo er das Leichentuch verstecken würde. Sie hatten sich einen Plan ausgedacht, wie Josar ihm das Tuch übergeben konnte, ohne dass Maanu Verdacht schöpfte. Abgarus hatte sie gewarnt, dass sie womöglich von seinem Sohn überwacht würden. Sie entschieden auch, dass Marcius nur Izaz sagen würde, wo das Tuch versteckt war. Izaz sollte gleich darauf mit Senins Hilfe aus der Stadt fliehen. Thaddäus hatte bestimmt, dass Izaz nach Sidon reisen solle, wo eine kleine christliche Gemeinde entstanden war. Das geistliche Oberhaupt dieser Gemeinde, Timäus, war von Petrus als Prediger entsandt worden. Izaz würde bei Timäus Unterschlupf finden, und der wüsste auch, wie mit dem Grabtuch zu verfahren war.
    Trotz Abgarus’ Bitte, ihr Leben zu retten, hatten Thaddäus und Josar beschlossen, in Edessa zu bleiben und dasselbe Schicksal zu erleiden wie die anderen Christen. Keiner wollte das Grabtuch zurücklassen, auch wenn sie nicht wussten, wo Marcius es aufbewahrte.
    Thaddäus und Josar hatten sich mit vielen Christen der Stadt im Tempel versammelt. Sie beteten gemeinsam für Abgarus und baten Gott, noch einmal Erbarmen mit dem König zu haben.
    Am Morgen hatte Josar das Tuch vorsichtig eingerollt und es nach Marcius’ Plan in dem Korb versteckt. Bevor die Mittagsglut kam, war er mit einem Korb unter dem Arm auf den Markt gegangen und hatte sich an den Ständen mit den Händlern unterhalten. Zur vereinbarten Stunde sah er einen der beiden jungen Diener von Marcius mit einem identischen Korb bei einem alten Mann Früchte kaufen, er ging auf ihn zu, begrüßte ihn herzlich.
    Unauffällig tauschten sie die Körbe. Niemand merkte etwas, und Maanus Spione sahen nichts Verdächtiges darin, dass Josar einen anderen Christen grüßte.
    Wie auch Jeremín keinen Verdacht schöpfte, als Marcius hoch oben auf dem Gerüst, auf das er mit einem der Obstkörbe gestiegen war, an einem Apfel herumknabberte und hier und da einen Ziegelstein einfügte. Marcius hatte das immer gern getan. Soll er doch, wenn er nicht einmal in dieser Stunde, wo die Hitze einen schläfrig macht, ruhig sitzen bleiben kann, dachte sich der Vorarbeiter.
     
    Marcius erfrischte sich mit dem kühlen Wasser, das ihm einer seiner Diener in sein Zimmer gebracht hatte. Von der Hitze des Tages befreit, zog der königliche Architekt eine saubere Tunika an. Er spürte, dass seine Tage zu Ende gingen. Sobald Abgarus tot war, würde Maanu wissen wollen, wo das Grabtuch war, um es zu zerstören. Er würde alle foltern, von denen er glaubte, sie könnten von dem Geheimnis wissen, natürlich auch ihn, den engen Freund von Abgarus. Deswegen hatte er eine Entscheidung getroffen, die er noch am selben Abend Thaddäus und Josar mitteilen würde,

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