Die stumme Bruderschaft
dass noch etwas seine Freude trübte.
»Ich habe es geschafft.«
Marcos Stimme klang fröhlich, triumphierend. Sofia lächelte und machte Antonino ein Zeichen, sich neben sie ans Telefon zu setzen.
»Ich musste zwei Minister überzeugen, aber am Ende haben sie mir grünes Licht gegeben. Sie werden den Stummen freilassen, sobald wir wollen, und sie haben seine Verfolgung genehmigt, ganz gleich, wohin.«
»Bravo, Chef!«
»Antonino, bist du in der Nähe?«
»Wir sind beide da«, antwortete Sofia, »eine bessere Nachricht hättest du uns nicht geben können.«
»Ja, ich bin zufrieden, ich hatte sie nicht alle auf meiner Seite. Jetzt müssen wir überlegen, wann und wie wir ihn freilassen. Und wie ist es euch ergangen?«
»Ich habe dir ja schon von D’Alaqua erzählt …«
»Ja, aber die Minister haben nichts gesagt, und das heißt, er hat sich nicht beschwert.«
»Wir sehen uns die Arbeiter und das Personal der Kathedrale noch einmal genau an, und in ein paar Tagen kommen wir zurück nach Rom.«
»Okay, dann sehen wir weiter. Ich habe schon einen Plan.«
»Was für einen?«
»Nicht so neugierig, Dottoressa, alles zu seiner Zeit. Ciao! «
»Typisch … Na schön, ciao! «
13
Josar wurde von nervösem Klopfen an der altersschwachen Tür seines Hauses geweckt. Die Sonne war über Edessa noch nicht aufgegangen, aber der Wachposten an der Tür überbrachte ihm einen dringenden Befehl von der Königin. Noch am selben Tag sollte er mit Thaddäus in den Palast kommen.
Er dachte, dass die Königin, weil sie die Nacht schlaflos an Abgarus’ Bett verbrachte hatte, nicht wusste, wie früh es war, aber der nervöse Blick des Wachpostens sagte ihm, dass etwas nicht stimmte.
Er würde Thaddäus Bescheid geben und am Abend würden sie den Hügel zum Palast hinaufsteigen. Ihm schwante Böses. Auf Knien, mit geschlossenen Augen, suchte er im Gebet eine Antwort auf die Unruhe, die seine Seele erfüllte.
Stunden später kam Izaz zu ihm, fast gleichzeitig mit Thaddäus. Sein junger Neffe, ein kräftiger intelligenter Mann, berichtete ihm von den Gerüchten im Palast. Abgarus ging es zusehends schlechter. Die Ärzte munkelten, es gebe wenig Hoffnung, dass er siegreich aus diesem letzten Spiel des Todes gegen sein Leben hervorgehen werde.
Sich seiner Lage bewusst, hatte Abgarus die Königin gebeten, einige Freunde an sein Lager zu rufen. Er wollte ihnen sagen, was nach seinem Tod zu tun war. Deswegen hatte die Königin sie rufen lassen. Zu Josars Überraschung war auch Izaz dabei.
Als sie in den Palast kamen, wurden sie eilig zu Abgarus’ Gemächern geführt. Er wirkte noch blasser als an den Tagen zuvor. Die Königin, die die Stirn des Königs mit einem in Rosenwasser getränkten Lappen befeuchtete, seufzte erleichtert, als sie sie eintreten sah.
Im selben Moment kamen zwei weitere Männer, Marcius, der königliche Architekt, und Senin, der reichste Händler von Edessa, der mit dem König verwandt und ihm ein treuer Freund war.
Die Königin rief sie an das Lager, schickte die Dienerinnen weg, und befahl den Wachen, die Türen zu schließen und niemanden hereinzulassen.
»Meine Freunde, ich wollte mich von euch verabschieden und meine letzten Befehle geben.«
Abgarus’ Stimme klang schwach. Der König starb, er wusste es, und ihr Respekt und ihre Zuneigung ließen es nicht zu, dass sie falsche Worte der Hoffnung sprachen. Deswegen hörten sie ihn schweigend an.
»Wie meine Spione mir berichtet haben, plant mein Sohn Maanu, nach meinem Tod über alle Christen herzufallen. Einige von euch will er ermorden. Thaddäus, Josar und du, Izaz, ihr müsst Edessa verlassen, bevor ich tot bin. Danach kann ich euch nicht mehr schützen. Maanu wird nicht wagen, Marcius oder Senin zu töten, auch wenn er weiß, dass sie Christen sind, weil sie zu den adeligen Familien Edessas gehören, die ihm Rache schwören würden.
Maanu wird die Jesus geweihten Tempel verbrennen, und dasselbe wird er mit den Häusern einiger meiner Untertanen tun, die sich dem christlichen Glauben in besonderer Weise verschrieben haben. Viele Männer, Frauen und Kinder werden getötet werden, um den Christen Angst zu machen und sie zu zwingen, die alten Götter wieder anzubeten. Ich mache mir Sorgen um das Leichentuch von Jesus, ich habe Angst, dass es zerstört wird. Maanu hat geschworen, dass er es am Tag meines Todes vor den Einwohnern von Edessa verbrennen will. Ihr, meine Freunde müsst es retten.«
Die Männer schwiegen. Josar sah die
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