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Die stumme Bruderschaft

Die stumme Bruderschaft

Titel: Die stumme Bruderschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Navarro
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Beifahrersitz. Er hätte gerne etwas über Addaio, seine Familie, sein Dorf erfahren, aber der andere schwieg hartnäckig. Er fragte ihn nur ab und zu, ob er Hunger habe oder aufs Klo müsse.
    Er sah von der langen Fahrt müde aus, und Zafarin machte eine Geste, dass er ihn am Steuer ablösen könnte, aber der andere lehnte ab.
    »Es ist nicht mehr weit, und ich will keine Probleme. Addaio würde mir einen Fehler nicht verzeihen, und du hast schon genug verbockt.«
    Zafarin presste die Kiefer aufeinander. Er hatte sein Leben aufs Spiel gesetzt, und dieser Blödmann warf ihm vor, alles verbockt zu haben. Was wusste er schon von der Gefahr, der er und seine Kameraden ausgesetzt waren!
    Der Verkehr wurde dichter. Die E-24 ist eine der am meisten befahrenen Autobahnen der Türkei, weil sie in den Irak führt, zu den Ölfeldern, und außerdem sind da die vielen Militärfahrzeuge, die an der türkisch-syrischen Grenze Streife fahren und vor allem hinter kurdischen Guerillakämpfern her sind, die in diesem Gebiet aktiv sind.
    In weniger als einer Stunde wäre er zu Hause, und das war im Moment das einzig Wichtige für ihn.
     
    »Zafarin! Zafarin!«
    Die zittrige Stimme seiner Mutter war unendlich tröstlich. Da stand sie, schmächtig und mager, die Haare unter dem Schleier verborgen. Trotz ihrer kleinen Statur beherrschte sie die ganze Familie, seinen Vater, seine Geschwister und ihn, und natürlich auch seine Frau und seine Tochter. Niemand wagte, ihr zu widersprechen.
    Seine Frau, Ayat, hatte Tränen in den Augen. Sie hatte ihn angefleht, nicht zu gehen, die Mission nicht zu übernehmen. Aber wie sollte man sich einem Befehl Addaios verweigern? Seine Mutter und sein Vater hätten die Schmach ertragen müssen, dass die Gemeinschaft mit Fingern auf sie zeigte.
    Er kletterte von dem LKW und binnen einer Sekunde spürte er, wie sich Ayats Arme um seinen Hals schlangen und auch seine Mutter drängte sich vor. Seine Tochter war verängstigt und fing an zu weinen.
    Sein Vater sah ihn gerührt an und wartete, bis die Frauen aufhörten, ihn mit Gefühlsbekundungen zu überschütten. Dann umarmten sie sich, und als Zafarin die starken Bauernarme seines Vaters spürte, ließ er seinen Gefühlen freien Lauf und fing ebenfalls an zu weinen. Er fühlte sich wie damals als kleiner Junge, wenn er mit den Spuren einer Schlägerei auf der Straße oder in der Schule nach Hause kam und sein Vater ihn in den Arm nahm und tröstete. Sein Vater hatte ihm immer Sicherheit gegeben, das Gefühl, dass er auf ihn zählen konnte, dass er ihn schützen würde, ganz gleich, was geschah. Und jetzt würde er diesen Schutz brauchen, wenn er Addaio gegenüberträte. Ja, er hatte Angst vor Addaio.

16
     
    Der Garten des neoklassizistischen Gebäudes war heller erleuchtet als gewöhnlich. Polizisten des Bezirks und Geheimpolizisten lieferten sich einen Wettstreit, um die Sicherheit der zu dem exklusiven Fest geladenen Gäste zu garantieren. Der Präsident der Vereinigten Staaten und seine Ehefrau befanden sich unter den Gästen, der Finanz- und der Verteidigungsminister, verschiedene Senatoren und Kongressabgeordnete des republikanischen und des demokratischen Lagers, die Vorstände der wichtigsten amerikanischen und europäischen Konzerne, ein Dutzend Banker zusammen mit Firmenanwälten, Medizinern, Wissenschaftlern und der ein oder anderen Berühmtheit aus der akademischen Welt.
    Es war Mary Stuarts fünfzigster Geburtstag und ihr Mann James wollte ihr mit einer Geburtstagsparty in Gesellschaft all ihrer Freunde eine Freude machen.
    Im Grunde waren auf dem Fest eher gute Bekannte als Freunde, dachte Mary. Sie hätte das James nie gesagt, um ihn nicht zu enttäuschen, aber ihr hätte es besser gefallen, wenn er sie mit einer Italienreise überrascht hätte, nur sie beide, ohne Hast und gesellschaftliche Verpflichtungen. Einfach die Toscana genießen, wo sie vor dreißig Jahren ihre Flitterwochen verbracht hatten. Aber James wäre so etwas nie eingefallen.
    »Umberto!«
    »Mary, meine Liebe, herzlichen Glückwunsch.«
    »Was für eine Freude, dich zu sehen.«
    »Die Freude hat James mir bereitet, indem er mir die Ehre erwies, mich zu dieser Party einzuladen. Das ist für dich, ich hoffe, es gefällt dir.«
    Umberto legte eine kleine in weißes Lackpapier verpackte Schachtel in ihre Hand.
    »Du hättest dir nicht solche Umstände machen sollen … Was ist da drin?«
    Mary öffnete ungeduldig die Schachtel und war ganz hingerissen von der Figur, die aus der

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