Die stumme Bruderschaft
loszuwerden.«
»Ich denke, wir sollten nichts überstürzen«, bemerkte der Italiener. »Es wäre ein Fehler, die Dottoressa abzuziehen oder sie verschwinden zu lassen. Das würde Marco Valoni nur irritieren und ihn darin bestätigen, dass hinter den Vorfällen doch etwas steckt, und dann würden er und sein Team weiterermitteln, auch wenn man sie zurückpfeift. Dottoressa Galloni ist ein Risiko, denn sie ist intelligent, aber wir müssen dieses Risiko eingehen. Wir haben einen Vorteil: Wir sind immer auf dem Laufenden, was Valoni und seine Leute tun.«
»Verdächtigen sie unseren Informanten auch nicht?«
»Er ist einer von Valonis engsten Vertrauten.«
»Schön, was haben wir noch?«, fragte der Alte.
Ein Mann, der aussah wie ein englischer Aristokrat, erstattete Bericht.
»Zafarin ist vor zwei Tagen in Urfa angekommen. Man hat mich noch nicht informiert, wie Addaio reagiert hat. Einer seiner Kameraden, Rasit, ist bereits in Istanbul, und der Dritte, Dermisat, wird heute eintreffen.«
»Gut, dann sind sie in Sicherheit. Jetzt ist es Addaios Problem, nicht unseres. Wir sollten uns um den Stummen im Turiner Gefängnis kümmern.«
»Es könnte ihm etwas zustoßen, bevor er aus dem Gefängnis kommt. Da gehen wir auf Nummer sicher. Wenn er herauskommt, werden sie ihm bis zu Addaio folgen«, schlug der Engländer vor.
»Das wäre das Klügste«, sagte ein anderer mit französischem Akzent.
»Liegt das im Rahmen unserer Möglichkeiten?«, fragte der Alte.
»Ja, wir haben Leute im Gefängnis, aber wir müssen vorsichtig sein, denn wenn dem Stummen was passiert, wird Marco Valoni sich nicht mit dem offiziellen Bericht zufrieden geben.«
»Auch wenn er vor Wut platzt, er wird es akzeptieren müssen. Ohne den Stummen ist sein Fall zu Ende, zumindest für den Moment«, entschied der Alte.
»Und das Grabtuch?«, fragte einer der Männer.
»Es ist immer noch in der Bank. Sobald die Reparaturarbeiten abgeschlossen sind, kehrt es in die Kapelle zurück. Der Kardinal will ein feierliches Hochamt halten, um Gott zu danken, dass er das Grabtuch wieder gerettet hat.«
»Meine Herren … irgendwelche Geschäftsabschlüsse?«
Der Präsident der Vereinigten Staaten gesellte sich in Begleitung von James Stuart zu dem Grüppchen und man plauderte locker drauflos. In den nächsten beiden Stunden konnten sie ihr Gespräch nicht fortsetzen, ohne Verdacht zu erregen.
»Mary, wer ist denn der Mann dahinten?«
»Einer unserer besten Freunde. Umberto D’Alaqua, erinnerst du dich nicht an ihn?«
»Doch, jetzt, wo du den Namen sagst. Er ist immer noch so attraktiv wie früher.«
»Ein eingefleischter Junggeselle. Schade, denn er sieht nicht nur gut aus, er ist auch sehr liebenswürdig.«
»Kürzlich wurde irgendwo von ihm gesprochen … aber wo …«
Lisa erinnerte sich. In dem Bericht, den Marco John über den Brand in der Kathedrale von Turin geschickt hatte, war von einem Unternehmen namens COCSA die Rede und von seinem Besitzer D’Alaqua, aber sie durfte ihrer Schwester nichts davon sagen. John würde ihr das nie verzeihen.
»Wenn du ihn begrüßen möchtest, begleite ich dich. Er hat mir eine wunderschöne Figur geschenkt, du kannst später mit in mein Zimmer kommen und sie dir ansehen.«
Die beiden Schwestern gingen auf D’Alaqua zu.
»Umberto, erinnerst du dich an Lisa.«
»Aber natürlich, Mary.«
»Es ist schon so lange her …«
»Ja, Mary, du kommst viel zu selten nach Italien. – Lisa, wenn ich mich recht erinnere, leben Sie in Rom, nicht wahr?«
»Ja, das stimmt und ich glaube, ich könnte nirgendwo anders leben.«
»Gina ist bei Lisa in Rom, sie schreibt gerade an ihrer Doktorarbeit. Außerdem hat Lisa es geschafft, sie in das Team zu bringen, dass in Herculaneum die Ausgrabungen macht.«
»Ah, jetzt erinnere ich mich, Sie sind Archäologin.«
»Ja, und Gina hat die Leidenschaft von ihrer Tante geerbt.«
»Ich kenne keine schönere Arbeit als die Erforschung der Vergangenheit. Und auch Sie haben ein Faible für die Archäologie, nicht wahr Umberto?«
»So ist es. Hin und wieder gönne ich mir eine Auszeit und arbeite an einer Ausgrabung mit.«
»Umbertos Stiftung finanziert Ausgrabungen, musst du wissen.«
James Stuart kam auf D’Alaqua zu und entführte ihn zu einer anderen Gruppe – zu Lisas Leidwesen, denn sie hätte gerne weiter mit dem Mann gesprochen, der in Marco Valonis Bericht auftauchte. Wenn sie das John erzählte, der würde ihr nicht glauben. Sogar Marco wäre überrascht. Sie
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