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Die stumme Bruderschaft

Die stumme Bruderschaft

Titel: Die stumme Bruderschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Navarro
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lachte still in sich hinein. Es war eine gute Idee gewesen, James’ Einladung zu der Surprise-Party anzunehmen. Wenn Mary nach Rom käme, könnte sie ein Abendessen organisieren und D’Alaqua und Marco einladen. Allerdings passte das womöglich D’Alaqua nicht und Mary wäre böse auf sie. Sie würde das mit ihrer Nichte besprechen; sie würden zu zweit die Gästeliste machen.

17
     
    Der junge Diener weinte entsetzt. Marcius Gesicht war blutüberströmt. Der zweite Diener war zu Josar gelaufen, um ihm von der Tragödie im Haus des königlichen Architekten zu berichten.
    Josar und Thaddäus waren von seinen Schilderungen nicht überrascht.
    »Wir hörten einen schrecklichen hohen Schrei, und als wir in Marcius Gemach kamen, hatte er die Zunge in einer Hand und in der anderen den Dolch, mit dem er sie abgeschnitten hatte. Er hatte das Bewusstsein verloren, und wir wussten nicht, was wir tun sollten. Er hatte uns gewarnt, dass in dieser Nacht etwas passieren werde, und uns zugeredet, der Anblick solle uns nicht erschrecken. Aber, mein Gott, er hat sich die Zunge abgeschnitten! Warum nur? Warum?«
    Josar und Thaddäus versuchten den Jungen zu beruhigen. Der Schreck saß ihm in den Gliedern. Sie machten sich sofort auf den Weg zu Marcius, und sie fanden ihren Freund ohnmächtig vor, das Bett voller Blut; der andere Diener kauerte in einer Ecke und betete schluchzend.
    »Beruhigt euch!«, befahl Josar. »Der Arzt wird gleich kommen und Marcius heilen. Heute Nacht müsst ihr stark sein. Es darf euch weder Angst noch Schmerz überwältigen, sonst ist Marcius’ Leben in Gefahr.«
    Die jungen Diener wurden ein wenig ruhiger. Als der Arzt kam, schickte er sie hinaus und blieb allein mit seinem Assistenten in dem Zimmer. Es dauerte lange, bis sie herauskamen.
    »Es ist vollbracht. Er schläft. Ich möchte, dass er ein paar Tage im Dämmerschlaf verbringt. Gebt ihm diese Tropfen. Dann spürt er die Schmerzen weniger und schläft, bis die Wunde vernarbt ist.«
    »Wir möchten dich um einen Gefallen bitten«, sagte Thaddäus an den Arzt gewandt. »Auch wir möchten die Zunge entfernt haben.«
    Der Arzt, ein guter Christ wie sie, sah sie besorgt an.
    »Jesus unser Herr wäre damit nicht einverstanden.«
    »Wir müssen unsere Zungen verlieren«, sagte Josar. »Sonst wird Maanu uns zum Reden bringen. Er wird uns foltern, um herauszufinden, wo das Grabtuch Christi ist. Wir wissen es nicht, aber wir könnten etwas sagen, das andere in Gefahr bringt. Wir wollen nicht fliehen, wir wollen bei unseren Brüdern bleiben. Wir Christen werden alle Maanus Zorn zu spüren bekommen.«
    »Bitte, hilf uns«, drängte Thaddäus, »wir sind nicht so tapfer wie Marcius, der sich die Zunge eigenhändig abgeschnitten hat.«
    »Das ist gegen Gottes Gesetze. Meine Pflicht ist es zu heilen, ich darf niemanden verstümmeln.«
    »Dann werden wir es selbst tun«, sagte Josar.
    Josars entschiedener Ton überzeugte den Arzt.
    Erst gingen sie zu Thaddäus. Dort mischte der Arzt den Inhalt eines kleinen Fläschchens mit Wasser. Als Thaddäus schlief, bat der Arzt Josar, das Zimmer zu verlassen und nach Hause zu gehen, er werde dann später zu ihm kommen.
    Josar wartete ungeduldig auf die Ankunft des Arztes. Dieser betrat zerknirscht das Haus.
    »Leg dich auf das Bett und trink das«, sagte er zu Josar. »Dann wirst du einschlafen. Wenn du erwachst, hast du keine Zunge mehr. Gott möge mir verzeihen.«
    »Er hat dir schon verziehen.«
     
    Die Königin hatte ihre Frisur sorgfältig zurechtgemacht. Die Nachricht von Abgarus’ Tod war bis in den letzten Winkel des Palastes vorgedrungen. Sie wartete darauf, dass ihr Sohn Maanu im königlichen Gemach auftauchen würde.
    Die Diener hatten mit Hilfe der Ärzte den Leichnam von Abgarus aufgebahrt, damit das Volk ihn sehen konnte. Der König hatte darum gebeten, sie sollten für seine Seele beten, bevor sein Leichnam in das königliche Mausoleum gebracht würde.
    Die Königin wusste nicht, ob Maanu erlauben würde, Abgarus nach den Gesetzen Jesu zu beerdigen, aber sie war bereit, diese letzte Schlacht für den Mann, den sie liebte, zu kämpfen.
    In den Stunden, die sie allein mit Abgarus’ Leichnam verbrachte, hatte sie in den Winkeln ihres Herzens nach dem Grund für den Hass ihres Sohnes gesucht und eine Antwort gefunden. Im Grunde hatte sie diese Antwort die ganze Zeit gekannt, sie sich aber bis zu diesem Morgen nie eingestanden.
    Sie war keine gute Mutter gewesen. Nein, wahrlich nicht. Ihre Liebe galt einzig

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