Die stumme Bruderschaft
werden.«
Maanu verließ eiligen Schrittes das Zimmer. Der Anführer der königlichen Leibwache wandte sich an die Königin.
»Herrin, es ist besser, Ihr tut, was der König sagt.«
»Das tue ich, Marvuz.«
Die Königin schaute ihn so durchdringend an, dass er beschämt den Blick senkte und sich schnell verabschiedete.
Maanus Anweisungen waren präzise: Abgarus würde seinem Wunsch gemäß beerdigt werden, und sobald das königliche Mausoleum versiegelt war, würde die Wache die verhassten Christenführer Josar und Thaddäus festnehmen. Danach sollten sie die Tempel zerstören, in denen sich die Christen zum Beten trafen, und das Grabtuch – Maanu hatte es Marvuz persönlich aufgetragen – sollte ihm im Palast übergeben werden.
Die Königin durfte bis zum dritten Tag nach Abgarus’ Tod ihr Gemach nicht verlassen. Der Leichnam des Königs ruhte solange auf einer reich geschmückten Bahre in der Mitte des ersten Tempels, den Abgarus zu Ehren von Jesus hatte errichten lassen.
Die königliche Wache stand am Totenbett ihres früheren Königs, und das Volk von Edessa zollte dem Mann Tribut, der ihm jahrzehntelang Frieden und Wohlstand garantiert hatte.
»Seid ihr bereit, Herrin?«
Marvuz holte die Königin ab, um sie zum Tempel zu geleiten. Sie hatte sich mit ihrer schönsten Tunika und den prächtigsten Juwelen geschmückt. Sie wirkte majestätisch, trotz der Furchen, die das Leid in ihr Gesicht gegraben hatte. Das kleine Gotteshaus war voller Menschen. Der gesamte Hof und die bedeutendsten Männer Edessas hatten sich dort versammelt. Die Königin suchte Josar und Thaddäus, aber sie konnte sie nirgends sehen. Sie war beunruhigt. Wo waren ihre Freunde?
Maanu trug Abgarus’ Krone und war schlecht gelaunt. Er wollte Thaddäus und Josar dabeihaben, aber seine Wachen hatten sie nicht finden können. Und auch das Grabtuch war nicht an seinem Platz gewesen.
Ein junger Schüler von Thaddäus hielt die Totenmesse. Als das königliche Gefolge sich auf den Weg zum Mausoleum machen wollte, trat Marvuz auf den König zu.
»Herr, wir haben in den Häusern der Christenführer nachgesehen, aber da war das Grabtuch nicht. Und weit und breit keine Spur von Thaddäus und Josar.«
Da hielt der Anführer der königlichen Leibwache inne. Thaddäus und Josar bahnten sich leichenblass einen Weg durch die Menge. Die Königin öffnete die Arme und kämpfte mit den Tränen. Josar sah sie zärtlich an, sagte aber kein Wort, ebenso wenig Thaddäus.
Maanu gab den Befehl, das Gefolge möge sich in Bewegung setzen. Es war Zeit, Abgarus zu Grabe zu tragen, später würde er mit den Christen abrechnen.
Eine schweigende Menge begleitete sie bis zum Mausoleum. Bevor der Baumeister den Eingang verschloss, bat die Königin um ein paar Minuten für ein Gebet.
Als das Grab verschlossen war, gab Maanu Marvuz ein Zeichen und dieser den Wachen, die Josar und Thaddäus vor den Augen der anderen umgehend verhafteten. Ein Raunen des Entsetzens ging durch die Menge, der plötzlich klar war, dass Maanu Abgarus’ Willen nicht respektieren und die Christen verfolgen würde.
Die Leute flohen, so schnell sie konnten, um in ihren Häusern Schutz zu suchen. Manch einer wollte noch am selben Abend Edessa verlassen, um Maanus Rache zu entkommen.
Aber sie hatten nicht einmal Zeit, es zu versuchen. Die königliche Garde war bereits dabei, die Häuser der bedeutendsten Christen zu zerstören, und viele wurden verhaftet oder noch vor dem Mausoleum hingerichtet.
Im Gesicht der Königin, die von Marvuz zurück in den Palast gezerrt wurde, stand blankes Entsetzen. Sie hatte gesehen, wie Thaddäus und Josar verhaftet wurden, ohne Widerstand zu leisten.
Der Geruch von Feuer drang bis zu dem Hügel vor, auf dem der Palast stand. Man hörte die verzweifelten Schreie der Menschen. Ganz Edessa zitterte vor Angst, während Maanu im Thronsaal Wein trank und zufrieden die Furcht in den Gesichtern der Höflinge betrachtete.
Die Königin musste stehen, Maanu hatte es so befohlen. Josar und Thaddäus, die Hände auf dem Rücken gefesselt und die Tuniken durch die Peitschenhiebe der Wachen zerfetzt, sagten weiterhin kein Wort.
»Gebt ihnen noch mehr Hiebe, sie sollen mich anflehen, der Qual ein Ende zu machen.«
Unerbittlich schlugen die Wachen auf die beiden alten Männer ein, aber zum Erstaunen des ganzen Hofes kam kein Laut über ihre Lippen. Der König kochte vor Wut.
Die Königin schrie auf, als Thaddäus ohnmächtig hinfiel. Josars Gesicht war
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