Die stumme Bruderschaft
von dort will er, wie unser Mann sagt, nach Italien weiterfahren. Mendibj ist zu seinem größten Problem geworden, zu einem Problem für die Gemeinschaft.«
»Wird er ihn töten?«, fragte der mit dem französischen Akzent.
»Addaio kann nicht zulassen, dass sie Mendibj verfolgen. Er hat Wind von der Sache bekommen und will es verhindern«, antwortete der militärisch Aussehende.
»Wo werden sie ihn töten?«
»Bestimmt im Gefängnis«, sagte der Italiener. »Das ist am sichersten. Es wird einen kleinen Aufruhr geben, und das war’s. Mendibj könnte, ohne es zu wollen, Addaios Männer auffliegen lassen.«
»Was schlagt ihr vor?«, fragte der Alte.
»Wenn Addaio das Problem löst, wäre es am besten für uns alle.«
»Haben wir Schutz für Mendibj vorgesehen, falls er lebend aus dem Gefängnis herauskommt?«, fragte der Alte weiter.
»Ja«, bestätigte der Italiener, »unsere Männer versuchen zu verhindern, dass die Polizei ihn verfolgt.«
»Es reicht nicht, wenn sie es versuchen, es muss ihnen gelingen.«
»Sie werden es schaffen«, antwortete der Italiener. »Ich hoffe, in den nächsten Stunden alle Details des Plans der Carabinieri zu erfahren.«
»Schön, wir kommen zum entscheidenden Teil der Partie: Wir müssen Mendibj vor den Carabinieri retten oder …«
Der Alte sprach den Satz nicht zu Ende. Alle stimmten zu, denn was Mendibj anging, stimmten ihre Interessen mit denen Addaios überein, sie konnten nicht zulassen, dass er zum Trojanischen Pferd wurde.
Ein leises Klopfen und das Eintreten des livrierten Hausdieners zeigten an, dass das morgendliche Treffen beendet war.
»Herr, die Gäste erwachen allmählich und bereiten sich auf die Jagd vor.«
»Gut.«
Die Männer in Reitkleidung gingen hinaus in ein warmes Speisezimmer, wo das Frühstück auf sie wartete. Minuten später betrat eine alte, aristokratische Dame mit ihrem Ehemann den Raum.
»Sieh nur, ich dachte wir sind die Frühaufsteher. Du siehst, Charles, unsere Freunde waren noch zeitiger auf.«
»Sie nutzen die Zeit sicher, um über Geschäfte zu reden.«
Der französische Herr versicherte ihnen, dass sie nichts anderes zu tun wünschten, als mit der Jagd zu beginnen. Weitere Gäste kamen in den Speisesaal. Insgesamt dreißig. Sie unterhielten sich angeregt, und manche zeigten sich erzürnt über die Pläne einiger Abgeordneter des Unterhauses, die Fuchsjagd zu verbieten.
Der alte Mann sah sie resigniert an. Er hasste die Jagd genauso wie die anderen sieben Männer, mit denen er kurz zuvor noch zusammengesessen hatte. Aber sie konnten sich dieser englischen Zerstreuung nicht entziehen. Die Mitglieder der Königsfamilie liebten die Jagd und hatten, wie schon bei früheren Gelegenheiten, gefragt, ob er in seinem prächtigen Jagdhaus nicht eine Partie organisieren könnte. Und da waren sie nun.
Sofia hatte einen Großteil des Vormittags mit dem Kardinal verbracht. Pater Yves hatte sie nicht gesehen, ein anderer Priester hatte sie in das Büro von Hochwürden geführt.
Der Kardinal war beglückt über die Beendigung der Bauarbeiten. Er schrieb das Umberto D’Alaqua zu, der sich persönlich dafür eingesetzt hatte, dass die Arbeiten schneller als geplant beendet wurden, und unentgeltlich zusätzliche Arbeitskräfte eingesetzt hatte.
Unter der Überwachung von Doktor Bolard war das Grabtuch in seine Vitrine in der Guarini-Kapelle zurückgekehrt. Der Kardinal hatte sich dezent beklagt, dass er weder von Marco noch von ihr über den Verlauf der Ermittlungen informiert worden war. Sofia entschuldigte sich und versuchte ihm nur das Nötigste zu berichten.
»Also, Sie glauben, es steckt eine Organisation oder ein Einzelner dahinter. Er will an das Grabtuch und legt Brände, um es in dem Durcheinander stehlen zu können. Aber was will er mit dem Grabtuch anfangen?«
»Das wissen wir nicht. Es kann ein Sammler sein, ein Exzentriker, oder eine Mafia-Organisation, die dann für die Rückgabe Lösegeld fordert.«
»Um Himmels willen!«
»Aber in einem sind wir uns sicher, Hochwürden, alle Vorfälle haben mit dem Grabtuch zu tun.«
»Und Sie sagen, Ihr Chef sucht einen unterirdischen Gang, der zur Kathedrale führt? Aber das ist doch absurd. Sie haben Pater Yves gebeten, unsere Archive durchzusehen. Ich glaube, er hat ihnen eine detaillierte Dokumentation der Geschichte der Kathedrale zukommen lassen, und nirgendwo ist von einem Geheimgang die Rede.«
»Das muss ja nicht heißen, dass es keinen gibt.«
»Aber auch nicht, dass es
Weitere Kostenlose Bücher