Die stummen Götter
will er mit dem Lasermorsen anfangen. Wir sollen vorsorglich schon Peilstrahl setzen.“
„Nur zu!“ sagte der Leutnant und schmetterte seine Faust abermals gegen das Luk.
„Eigentlich verstehe ich’s nicht“, meinte Gossel, der ebenso wie ich jedes Wort mitgehört hatte. „Der Planet hat eine riesige Ozonschicht oben. Das ganze Gerede von Nordin da – da müßte ein reiner UV- oder Gamma-Stern loslegen, wenn das bis hier ’runter durchschlagen sollte.“
„Für den Funkverkehr reicht’s aber“, sagte ich.
„Gewiß doch!“ sagte Gossel nett. „Dafür reicht’s immer. Das schafft sogar daheim die Sonne mitunter. Atmosphärische Stö rungen. Wer was anderes erwartet, ist meschugge.“ Da wußte ich’s also nun!
Und dann brach das Bild wirklich zusammen. „Wie schön“, kommentierte der Leutnant die Meldung. „Mal so ganz alleine im düstren Wald!“
Ich verstand nicht recht, wie er das meinte.
„Vorwärts!“ befahl Kraneis aber nur. „Steht der Peil-strahl?“
„Ay, ay! Der Peilstrahl steht“ rief der Maat zurück, und das war alles.
Zwei Minuten später glaubte ich wirklich zu träumen. Trotz der Wolken hatte es keinen neuen Regen gegeben, auch kein Blitzen und Donnern, und fern erst, dann näher und näher, bemerkte ich ein seltsames, fahl-violettes Leuchten über den Bergen. Dann hatte es uns erreicht, und mit einmal fuhren wir mitten durch ein geisterhaftes, kaltes Flammenmeer. Aus jeder Kante, aus jedem Grat, aus jeder Nadel des Gebirges ringsum schlug still und feierlich und ganz senkrecht und unbewegt, wie unter einem gewaltigen, lautlosen Sog geradenwegs in den Himmel hinaufgerissen, dieses bleiche, bläuliche Licht. Es war, als hätte die Unterwelt selbst Millionen von Kerzen angesteckt, zum Gedenken ihrer Toten.
„Mein Gott!“ rief ich erstickt.
Sogar der unverwüstliche Gossel machte die Augen schmal und schluckte.
Doch Kraneis sagte ungerührt: „Aha! Kein Wunder, daß un ser Video versagt. Elmslicht, Herrschaften. Nichts weiter als Elmslicht. Allerdings hab ich so eine kolossale Sache auch noch nie gesehen. Das ist mal ’ne Pracht!“
Ich empfand es nicht ganz so, doch man gewöhnte sich wirk lich daran. Das Licht war, insgesamt gesehen, heller als alle unsere Scheinwerfer zusammen, und die Landschaft ringsum war nun so klar zu überblicken, als strahle ein naher und rie siger großer Mond auf uns herab.
Nebenschluchten sah ich einmünden, talauf, talab, links und rechts, doch der Titan folgte unbeirrt seinem Hauptweg. Ich hatte nachher das Gefühl, daß wir schon recht beträchtlich an Höhe gewonnen haben mußten.
Und dann gab Gossel einen seltsam erstickten und aufgereg ten Laut von sich. „Ein Galgen!“ schrie er gleich darauf. „Halt! Stopp! Sofort! Dort rechts!“
Der Tonfall schlug sogar bei Kraneis ein. Ich schluckte schwer vor Aufregung, als der Titan abbremste und hundert Meter zu rückstieß. Da sahen wir es alle.
Es war natürlich kein Galgen, doch es war auch nicht von der Natur geschaffen. Rechts drüben, etwa fünfzig Meter den hier nicht ganz so steilen Hang hinauf, gab es einen Einschnitt in der aufsteigenden Linie des Gesteins – wie eine riesige Trep penstufe, so sah es von uns her aus – , und vom Hintergrund dieser Fläche her ragte jenes Gebilde, das Gossel an einen Gal gen erinnert hatte, bei mir jedoch mehr und eigentlich sofort den Eindruck eines Trägermastes machte, wie er vielleicht für eine altertümliche Drahtseilbahn Verwendung hätte finden kön nen oder auch einfach als Aufhängung für eine Hochenergie leitung.
„Verdammt!“ brüllte Kraneis. „Und das Bild kommt immer noch nicht wieder! Wir können nicht mal lasermorsen. Wir haben nicht die Einrichtung dafür. Nur empfangen, nicht sen den!“
Wir sahen uns alle drei an. Und dann begann Gossel zu grienen. Kraneis griente auch. Und ich, ja, ich griente mit.
„Na also!“ meinte der Leutnant endlich. „Ich schlage vor, wir machen noch ein paar Kilometer das Tal hinauf – Auftrag ist Auftrag! –, und wenn das Video auch dann noch nicht da ist, dann gehen wir da drüben mal ’ran. Ist ja schließlich keine gegnerische Aktivität, dein Galgen, Gossel, oder?“
Nein, es war keine gegnerische Aktivität, aber es waren die Tantaliden! Sie oder andere intelligente Geschöpfe, und ich war so glücklich wie noch nie in meinem Leben. Diese ganze furcht bare Last, die mir während der endlosen Flugzeit durch den Raum und dann auch hier auf Tantalus selbst auf der Seele
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