Die Stunde der Gladiatoren
bekannt sein dürfte.«
»Da bin ich aber gespannt.«
Ohne etwas zu erwidern, wandte sich Varro vom Fenster ab, ging zur Tür und öffnete sie.
Beim Anblick der Frau, deren Gesicht verschleiert war, wurde Maximinus von Unbehagen erfasst. Der sonst so selbstsichere Lanista sprach kein Wort, und seine Miene verriet, dass er kalt erwischt worden war.
»Darf ich vorstellen«, warf Varro ein, unfähig, seine Häme zu verbergen, »meine Kronzeugin! Wie du siehst, hat Leugnen keinen Sinn.« Der Advocatus schloss die Tür, geleitete die Frau in die Raummitte und ging zwischen ihr und dem Lanista in Stellung. Syphax, der ihn keinen Moment aus den Augen lieÃ, verschränkte die Arme und blieb neben dem Türpfosten stehen. »Einstweilen irgendwelche Fragen?«
Maximinus schüttelte den Kopf.
Der Advocatus sah es mit Genugtuung. »Na, dann wollen wir mal!«, fuhr er fort und sah die Anwesenden der Reihe nach an. Beim Lanista angekommen, blieb sein Blick an ihm haften. »Zum letzten Mal, Maximinus: Was hast du mit dem Tod von Niger zu tun?«
Schweigen.
»Dann eben nicht.« Varros Blick wanderte zu der Frau, die bislang keinen Laut von sich gegeben hatte. Sie hatte pechschwarzes, bis auf die Schultern herabreichendes Haar, trug ein dunkles Gewand und einen ebenfalls dunklen Schleier. Die Szene hatte etwas Unwirkliches an sich, und es schien, als sei eine Skulptur mit einem Tuch drapiert worden. »Kennst du diesen Mann?«
»Ja.«
Die Frau antwortete sofort, ohne Scheu oder auch nur den Hauch von Unsicherheit in der Stimme.
»Wann genau hast du ihn zum ersten Mal gesehen?«
»Gestern Abend.«
Hochrot vor Zorn sprang der Lanista auf. »Was soll der Quatsch, Advokat? Sind wir hier im Theater?«
Varro verzog keine Miene. »Du hast recht, Lanista!«, gab er mit stoischer Gelassenheit zurück. »Es ist an der Zeit, die Maskerade zu beenden. Wenn du so gut sein würdest, Frau Wirtin â der Herr da möchte dein Gesicht sehen.«
»Du?« Der Ausruf, mit dem der Lanista auf die Entschleierung reagierte, hätte aufschlussreicher nicht sein können. Mehr als nur überrascht, war er wie zur Salzsäule erstarrt und glotzte Aspasia mit weit aufgerissenen Augen an. »Wie kommst du ⦠welcher Dämon bringt dich denn hierher?«
»Ich.« Als sei nichts dabei, trat Varro an den Tisch und drückte den immer noch fassungslosen Lanista auf seinen Stuhl. »So, nachdem das geklärt ist, würde ich es vorziehen, meine Sicht der Dinge darzulegen. Du hast doch nichts dagegen, oder?«
»Tu, was du nicht lassen kannst.«
»Wie schön, dass du endlich Vernunft annimmst.« Varro räusperte sich. »Also: Gestern Abend, am Tag der Venus, bist du, Maximinus, mit dem Geldwechsler Lupicinus in Streit geraten. Dem Vernehmen nach, das heiÃt laut Aussage dieser Frau, soll es dabei um den Gladiator Niger gegangen sein, dessen Leichnam heute Morgen entdeckt wurde. Lupicinus, so die Wirtin der Taverne âºZum KanÂtharosâ¹, hatte zuvor wilde Drohungen gegen ihn ausgestoÃen. Tenor: Sollte ihm Niger über den Weg laufen, müsse er sich vor ihm, Lupicinus, in Acht nehmen. Dann würde er ihm alles heimzahlen.« Der Advocatus pausierte, inspizierte den Faltenwurf seiner Toga und lieà sich durch den unruhig hin und her rutschenden Lanista nicht aus der Ruhe bringen. »Hat es sich so zugetragen â ja oder nein?«
»Wenn du es sagst, wird es ja wohl stimmen.«
»Dann stimmt es sicher auch, dass du, Maximinus, nach dem Verschwinden deines Widersachers â oder, wahrheitsgetreu formuliert, deines Geschäftspartners  â versucht hast, Aspasia massiv unter Druck zu setzen. Das heiÃt, du hast gedroht, ihrer Tochter etwas anzutun oder die Taverne niederzubrennen, sollte sie auch nur ein Wort über den Gegenstand deines Streits mit Lupicinus verlauten lassen. Dein Pech, dass sich Aspasia nicht nur nicht daran gehalten, sondern im Gegenteil mich, ihren Patronus, über den Vorfall in Kenntnis gesetzt hat. Das alles wäre dir verborgen geblieben, hättest du nicht so viel Angst vor dem Bekanntwerden deiner Machenschaften gehabt, dass du beschlossen hast, Aspasia beschatten zu lassen. Daraus, denke ich, kann man den Schluss ziehen, dass es bei deinem Zwist mit Lupicinus um mehr als eine Meinungsverschiedenheit gegangen ist. Sonst wäre Lupicinus, der dir
Weitere Kostenlose Bücher