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Die Stunde der Gladiatoren

Die Stunde der Gladiatoren

Titel: Die Stunde der Gladiatoren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Klausner
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reihten sich an Werkstätten, Lagerhäuser an billige Tavernen, Geräteschuppen an Mietskasernen, in denen die Ärmsten der Armen hausten. Varro runzelte die Stirn. Das hier war kein Ruhmesblatt. Aber auch das war Treveris, der Ort, von dem aus das Imperium regiert wurde.
    Endlich am Ziel, musterte Varro ein Gebäude, bei dessen Anblick klar wurde, wer hier wohnte. Es umfasste vier Stockwerke, bestand aus Ziegelsteinen und war, unschwer zu erkennen, seit dem Bau weder instandgesetzt noch frisch verputzt worden. An den Steinsäulen, auf denen die Balkons aus rohgezimmerten Eichenbalken ruhten, bröckelte der Verputz, und wer die Mietskaserne betrat, musste sich erst an die Dunkelheit gewöhnen.
    Es sei denn, er war sechs Jahre alt, hier geboren und mit jedem Fußbreit Boden vertraut. »Hier also bist du zu Hause«, sagte Varro, nachdem er Probus den Vortritt gelassen und dabei zugesehen hatte, wie der Junge eine Öllampe entzündete. »Ganz schön finster hier, was, Probus?«
    Â»Man gewöhnt sich an alles.«
    Varro fehlten die Worte. Auf die Antwort, welche der Junge gab, war er wieder einmal nicht gefasst gewesen. »Für einen Knaben in deinem Alter hörst du dich ziemlich niedergeschlagen an. So darfst du nicht denken, sonst …«
    Â»Ihr kommt wegen meinem Vater, stimmt’s?«
    Die Frage wirkte wie ein Hammerschlag, und während der Advokat nach Worten rang, folgte bereits der nächste Hieb: »Die Mühe hättet ihr euch sparen können.«
    Varro verschlug es die Sprache. Mit einer derartigen Antwort, noch dazu aus dem Mund eines Kindes, hatte er nicht gerechnet. Wieder einmal hatte der Zufall seine Schritte gelenkt, und er fragte sich, welche Überraschungen ihm noch bevorstanden. »Findest du?«
    Â»Ja, finde ich.«
    Â»Aus welchem Grund?«
    Â»Weil er tot ist – darum!«
    Varro lief es eiskalt über den Rücken. »Woher weißt du das?«, fragte er, überrascht wie schon lang nicht mehr. »Von deiner Mutter?«
    Â»Ist doch egal, oder?«
    Â»Nein, ist es nicht.«
    Â»Du weißt doch, Herr«, wich der Junge mit vielsagendem Lächeln aus, »so etwas spricht sich hier schnell rum.«
    Â»Darf man fragen, wie du heißt?«
    Â»Die Leute nennen mich Nigerinus.« Der Junge verzog das Gesicht. Kleiner Neger – wie passend!«
    Â»Und wie heißt du wirklich?«
    Â»Hariulf. Nach meinem Großvater. Bescheuerter geht es nicht, oder?«
    Peinlich berührt wechselte Varro das Thema. »Ich kann verstehen, wie dir zumute ist, mein Junge. Glaub mir: Probus und ich wollen dir helfen. Dir und deiner Mutter.«
    Â»Helfen? Uns? Und weshalb?«
    Varro schluckte. »Um der Gerechtigkeit willen, damit der … Damit das, was deinem Vater widerfahren ist, nicht ungesühnt bleibt.«
    Â»Sprich es ruhig aus, Herr: Er ist ermordet worden.«
    Der Anwalt schlug die Augen nieder. »Ja, das ist er!«, bekräftigte er, während sich ihm das Herz zusammenkrampfte. »Eines aber kann ich dir versprechen: Die Schuldigen werden ihre Strafe bekommen.«
    Â»Warum tust du das, Herr? Er war doch nur ein Gladiator.«
    Â»Ich tue es, mein Junge, um der Gerechtigkeit zum Sieg zu verhelfen.« Der Körper des Anwalts straffte sich, und der Griff, mit dem er seinen Stock umklammerte, verstärkte sich. »Ich tue es, weil ich der Meinung bin, dass Verbrecher nicht frei herumlaufen dürfen. Und ich tue es, weil ich es nicht ausstehen kann, wenn Menschen ihrer Hautfarbe oder ihrer Profession wegen missachtet werden.« Varro atmete tief durch. »Ich weiß, das hört sich ziemlich hochtrabend an. Und ich weiß auch, dass es deinem Vater nichts mehr nützen wird, wenn Probus und ich die Schuldigen überführen. Eines aber weiß ich genau: Dass dieser Kasus gelöst werden muss, koste es, was es wolle.«
    Â»Leichter gesagt als getan.«
    Â»Mag sein. Aber besser jetzt als nie.«
    Â»Angenommen, du meinst das wirklich ernst: Warum hast du nicht gleich gesagt, wer du bist?«
    Â»Weil ich nicht gewusst habe, wer du bist.«
    Â»Das meinst du doch nicht wirklich, oder?« Die Öllampe in der Hand, stieß der Junge, dessen Welt in Scherben lag, ein an Bitterkeit nicht zu übertreffendes Lachen aus. »Sieht doch jeder, dass mein Vater Afrikaner war.«
    Der Advocatus blieb die Antwort schuldig. Ja, räumte er ein, wenn er das Honorar, welches

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