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Die Stunde der Gladiatoren

Die Stunde der Gladiatoren

Titel: Die Stunde der Gladiatoren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Klausner
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er einzustreichen pflegte, wert wäre, hätte er darauf kommen müssen. Selbst hier, im Schein einer Öllampe, war die Ähnlichkeit mit dem Retiarius offensichtlich, ja geradezu frappierend. Einzig die Augen, ein Erbteil seiner Mutter, fielen ein wenig aus dem Rahmen. Ansonsten bestand über die Herkunft des Jungen kein Zweifel.
    Â»Weißt du, manchmal ist mein Freund ein bisschen schwer von Begriff. Kommt vom vielen Lesen, was, Gaius?«
    Â»Danke, Probus, wie immer bist du mir eine große Hilfe!«, giftete Varro und warf dem Medicus einen Blick zu, den zartbesaitete Naturen als Kriegserklärung aufgefasst hätten. »Was wäre ich ohne dich!«
    Â»Das frage ich mich auch!«, blaffte der Medicus zurück. »Aber lass dich nicht stören, du warst noch nicht am Ende.«
    Â»Verbindlichen Dank.« In der Hoffnung, seinen Kredit nicht verspielt zu haben, wandte sich Varro wieder dem Jungen zu. »Ich bin Gaius Aurelius Varro, Anwalt der Rechte. Und das hier ist mein Freund Probus, Medicus von Beruf.«
    Varro reichte dem Jungen die Hand. Dieser zögerte, griff dann aber doch zu.
    Â»Freut mich, dich kennenzulernen!«, sagte der Anwalt und wechselte einen Blick mit Probus, dem die Sache offenbar nicht ganz geheuer war. »Wenn du nichts dagegen hast, würde ich jetzt gern mit deiner Mutter sprechen.«
    Die Öllampe in der Hand, blieb der Junge am Fuß der Treppe stehen. »So viel Besuch wie in letzter Zeit haben wir schon lang nicht mehr gehabt«, spottete er, ein rätselhaftes Lächeln im Gesicht. »Zuerst dieser Maximinus, dann du, Herr – wer weiß, vielleicht schneit demnächst sogar der Kaiser …«
    Â»Der Lanista?«, brach es aus Varro hervor. »Der Lanista war … er war hier?«
    Â»Klar.« Der Junge verzog keine Miene. »Gestern Abend.«
    Â»Und wann?«
    Â»Weiß ich nicht mehr genau.« Nigers Sohn zuckte die Achseln. »Circa eine Stunde nach Sonnenuntergang, schätze ich.«
    Â»Du kennst ihn?«
    Â»Bei allem Respekt, Herr: Wer kennt ihn nicht! Ein Halunke, wie er im Buche steht.«
    Varro stutzte. »Hört sich an, als hättest du das irgendwo aufgeschnappt.«
    Â»Nicht irgendwo, Herr.«
    Â»Sondern?«
    Â»Sondern bei meinem Vater.« Als sei alles gesagt, wandte sich der Junge ab, leuchtete voran und erklomm die Stufen, welche hinauf ins Obergeschoss führten. »Frag meine Mutter, wenn du mir nicht glaubst. Sie weiß, wer Vater auf dem Gewissen hat.«

XXIV
    Ebenda
    [17:50 h]
    Â»Hier entlang – Vorsicht Stufe!« Der Weg in den vierten Stock war beschwerlich, vorbei an Abfalleimern, Unrat und Tonkrügen, randvoll mit Exkrementen. Sie zu entleeren war Aufgabe einer Sklavin, was, wenn überhaupt, höchstens zweimal pro Tag geschah. Der Geruch nach Rauch, Abfall und Fisch war infernalisch, nichts für empfindsame Mägen oder die Nase eines Mannes, der in einer Stadtvilla lebte. Die Wohnungen, so der Begriff zutraf, waren überfüllt, feucht und heruntergekommen, vom Treppenhaus oft nur durch einen Vorhang getrennt. Wer Ruhe suchte, war hier fehl am Platz, und den Besuchern, die sich ins Obergeschoss verirrten, schlug von überall Lärm entgegen. Hunde bellten, ein Kleinkind schrie sich die Seele aus dem Leib, ein Mann und eine Frau trugen einen lautstarken Disput aus. Restlos bedient, holte Varro Luft. So also sah der Alltag in einer Insula aus, in einer Stadt, deren Prachtbauten im ganzen Reich gerühmt wurden.
    Das Haus selbst war, höflich ausgedrückt, eine Bruchbude. Je höher der Anwalt stieg, desto mehr geriet er außer Atem, je mehr er sich abmühte, desto stärker die Schmerzen in seinem Bein. Die Frage, wie man es hier längere Zeit aushalten könne, war akademischer Natur, und Varro beschloss, nicht darüber nachzudenken. Wohin er auch blickte, nichts als Unrat und bröckeliger Verputz, wo er auch stehenblieb, nur Schmutzflecken und der Geruch von Fäkalien. Fenster aus Glas suchte man hier vergebens, davon konnten die Bewohner, zumeist Tagelöhner, Hilfsarbeiter und Lastenträger, nur träumen. Durchscheinendes Leder, Leinentücher oder Fensterläden, mehr konnten sich die Bewohner nicht leisten. Und mehr begehrten sie offenbar auch nicht. Glas war etwas für die Reichen, zu denen, wie er beschämt eingestehen musste, auch ein gewisser Gaius Aurelius Varro gehörte.
    Froh, die Treppe

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