Die Stunde der Gladiatoren
lieà auf sich warten. »Ich habe es kommen sehen«, flüsterte sie, als Varro schon nicht mehr damit rechnete. »All die Jahre über habe ich es kommen sehen.«
»Was hast du kommen sehen?«
Anstatt etwas zu erwidern, drehte sich die Frau um, gab dem Jungen einen Wink und deutete auf einen leeren Eimer, nur einer von einer Vielzahl an Behältnissen, die in dem roh gezimmerten Regal standen. Auch hier herrschte peinliche Ordnung, auf den Töpfen, Krügen, Terrakottaschüsseln, Bechern und dem Schmuckstück, einem Bronzekessel, war nicht die Spur von Schmutz zu erkennen. »Bist du so gut und gehst runter an den Brunnen?«, forderte sie Hariulf freundlich aber bestimmt auf. »Sonst haben wir nichts zu trinken.«
Der Junge fügte sich, wenngleich nach kurzem Zögern.
Die Frau wartete, bis die Tür ins Schloss gefallen war. Dann wandte sie sich wieder den beiden Freunden zu. »Eines kannst du mir glauben, Herr: Wenn man weiÃ, wie es in dem Geschäft zugeht, kann einen nichts mehr erschüttern.« Reglos wie eine Statue rang Merabaudis nach Worten. »Ich habe es kommen sehen«, wiederholte sie, die Arme vor der Brust verschränkt. »Aber er wollte nicht auf mich hören.«
»Im Klartext: Du hast ihn gewarnt.« Der Advocatus holte tief Luft. »Und wovor?«
»Davor, dass sie ihn töten würden.«
»Und wer, mit Verlaub, sind âºsieâ¹?«, brach es aus dem Medicus hervor. »Je früher du reinen Tisch machst, desto besser.«
»Kann sein, aber das macht meinen Mann nicht mehr lebendig.«
»Mann â habe ich da richtig gehört?«
»Natürlich nicht offiziell.«
»Verstehe.«
»Nimmâs mir nicht übel, Herr: Du verstehst überhaupt nichts.« Merabaudis stieà einen gequälten Seufzer aus. »Kommen wir zur Sache: Was führt euch zu mir?«
»Die Pflicht.« Kein Mann groÃer Worte, machte es Varro kurz. »Ich bin dabei, Nachforschungen anzustellen.«
»Und worüber?«
»Ãber deinen Mann.«
»Da gibt es nichts nachzuforschen, Herr. Sagt mir lieber, wo ich seinen Leichnam finden kann.«
»In der Kurie.«
Merabaudis horchte auf. »Und warum gerade dort?«
»Um zu gewährleisten, dass sie ihn nicht verschwinden lassen.«
»Und wer, mit Verlaub, sind âºsieâ¹?«, echote Merabaudis, ein doppeldeutiges Lächeln im Gesicht. »Schon irgendjemanden im Verdacht?«
»Das frage ich dich.«
Merabaudis antwortete mit einem Achselzucken.
Varro schien es nicht zu bemerken. »WeiÃt du, ob dein Mann Feinde gehabt hat?«, bohrte er, darauf aus, ihre Hinhaltetaktik zu durchkreuzen. »Kampfgefährten, Nachbarn, Zuschauer â mit einem Wort: Gegner, die ihm nach dem Leben getrachtet haben?«
»Nicht, dass ich wüsste. AuÃer natürlich die in der Arena.«
»Du weiÃt genau, was ich meine. Das Amphitheater ist eine Sache, die Welt auÃerhalb der Arena eine andere.«
»Bist du dir da so sicher?«
»So sicher, wie man überhaupt nur sein kann. Das Gute im Menschen überwiegt, ungeachtet seiner niederen Instinkte.«
»Sieh da, ein Philosoph.«
»Nein, aber ein Menschenkenner.« Der Advocatus zwang sich zu einem Lächeln. »Erlaube mir deshalb, dir einen Rat zu geben.«
»Nur zu. Ich kann es kaum erwarten.«
»Es nützt nichts, wenn du mir etwas verschweigst. Früher oder später â¦Â«
»⦠kommt die Wahrheit ans Licht, ich weiÃ.« Merabaudis zögerte. »Und wer sagt mir, dass ich dir trauen kann?«
»Gegenfrage: Sehe ich so aus, als ob man mir nicht trauen kann?«
»Nicht unbedingt.«
»Wenn dem so ist, zögere nicht, mir dein Herz auszuschütten.«
Merabaudis atmete geräuschvoll aus. »Na schön. Frag, was du wissen willst.«
»Alles, was mit dem gestrigen Abend zusammenhängt. Wann dein Mann hier eingetroffen ist, was er erzählt hat, ob er niedergeschlagen, siegestrunken, oder â¦Â«
»Er war niedergeschlagen. Niedergeschlagen und zutiefst deprimiert.« Merabaudis trat ans Fenster. DrauÃen zog bereits die Dämmerung herauf, und die Passanten auf dem Bürgersteig warfen lange Schatten. »Ist ja auch kein Wunder.«
»Niedergeschlagen? Nach einem Sieg?«
Merabaudis nickte. »Nur allzu verständlich, oder? SchlieÃlich hat er jemanden getötet.«
Eher
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