Die Stunde der Gladiatoren
Frau in Tränen aus. »Gib mir die Schuld, Herr, mir allein â aber das hat genügt, um mich in die Flucht zu schlagen.«
»Konntest du etwas erkennen, Merabaudis? Hast du sein Gesicht gesehen?«
»Ja.«
»Jemand, den du kennst?«
Die Frau nickte. »Nicht direkt«, räumte sie ein, den Ãrmel zwischen Daumen und Zeigefinger, um die Tränen zu trocknen. »Der Beschreibung nach, die Niger von ihm gegeben hat, kann es sich jedoch nur um jemand ganz Bestimmten handeln. Um einen Schuft, den ich jederzeit wiederkennen würde.«
»Will heiÃen?«
»Es war der Mann auf der Ehrentribüne.«
»Der Mann, der dabei war, als Maximinus â¦Â«
»Du sagst es, Herr. Der Mann, vor dem der Lanista gekuscht hat. Der ihn gezwungen hat, Niger unter Druck zu setzen. Der für das, was ihm widerfuhr, die Verantwortung trägt.«
»Besondere Kennzeichen?«
»Eine Narbe auf der linken Wange.«
»Alter?«
»Um die 30, möglicherweise auch älter.«
»Aussehen?«
»Dunkelhaarig, mittelgroà und von kräftiger Statur. Ein Mann zum Fürchten.«
»Nicht viel, aber besser als nichts.« Der Advocatus atmete tief durch. Und fügte, an Probus gewandt, hinzu: »An die Arbeit, Medicus, die Pflicht ruft! Mich dünkt, dass wir das Phantom bald aufspüren werden!«
XXV
Gladiatorenkaserne, eine halbe Stunde vor Sonnenuntergang
[19:50 h]
»Es reicht, Maximinus â Schluss mit der Komödie!« Varro war dabei, seine gute Erziehung zu vergessen, und wenn er ehrlich war, hielt sich sein Bedauern darüber in Grenzen. »Du hast gelogen, dass sich die Balken biegen. Du hast versucht, uns hinters Licht zu führen. Du hast in Kauf genommen, dass Niger zu Schaden kommt. Und warum? Aus Habgier, weil du den Hals nicht vollkriegen konntest!« Aus Varros Augen schoss ein Blitz nach dem anderen. »Damit, du Schuft, ist es jetzt vorbei! Ein für alle Mal. Glaubst du, wir lassen uns von dir hinters Licht führen? Entweder du machst den Mund auf, oder ich sorge dafür, dass man dich dazu zwingt. Guck nicht so, ich meine es ernst. Eins kann ich dir garantieren: Nicht alle haben so viel Geduld wie ich. Vor allem nicht der Statthalter. Der fackelt nicht lang, darauf kannst du wetten!«
»Reg dich ab, Varro â aus mir bekommst du nichts heraus.«
»Ich gebe dir einen Rat: Zwing mich nicht, dir das Gegenteil zu beweisen. Das wäre fatal. WeiÃt du, was du bist? Du bist der gröÃte Schurke, der mir je unter die Augen gekommen ist. Du hast dich zum Handlanger degradieren lassen, hast nicht gezögert, halb Treveris übers Ohr zu hauen. Betrug, Nötigung und Beihilfe zum Mord, wenn das nicht reicht, dich hinter Gitter zu bringen, will ich Nero Claudius Cäsar heiÃen!«
»Beihilfe zum Mord? Das musst du mir erst beweisen.«
»Ich wüsste nicht, was es hier zu beweisen gibt. Oder bestreitest du, dass du nicht gezögert hast, dich vor den Karren der Kaiserin spannen zu lassen? Raus mit der Sprache: Hast du Niger erpresst, ja oder nein?«
»Keine Ahnung, wovon du sprichst.«
»Und ob du sie hast! Als Niger sich weigert, Pugnax gewinnen zu lassen, drohst du damit, seiner Familie könne etwas zustoÃen. Das wirkt. Der Retiarius willigt ein, dem Rivalen das Feld zu überlassen. Wider Erwarten geht jedoch etwas schief. HeiÃt: Niger lässt sich von dem Secutor provozieren. Was folgt, ist bekannt. Aus dem Kampf, den er verlieren soll, geht der Retiarius als Sieger hervor. Zur Freude des Publikums, aber zum Ãrger der Kaiserin, die, wie wir mittlerweile wissen, auf Niger nicht gut zu sprechen war.«
»Davon weià ich nichts.«
»WeiÃt du was, Maximinus? Das glaube ich dir sogar. Leider ist das gegenwärtig nicht der Punkt.«
»Sondern?«
Der Advocatus verzog das Gesicht. »Der Punkt ist, Lanista, dass du nicht fertig gebracht hast, den Mund zu halten. Will heiÃen: Du hast versucht, aus der Situation Kapital zu schlagen.«
»Unterstellungen, Varro â nichts als Unterstellungen.«
»Ich wusste, dass du das sagen würdest. Deshalb haben wir vorhin noch einen Abstecher zu Lupicinus gemacht. Und siehe da â dein Geschäftspartner war in Plauderlaune, mehr als bei unserem ersten Besuch.«
»Na und? Ich wüsste nicht, was er gegen mich in der Hand hat.«
»Mehr, als du denkst, Maximinus!«, fuhr
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