Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Stunde der Gladiatoren

Die Stunde der Gladiatoren

Titel: Die Stunde der Gladiatoren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Klausner
Vom Netzwerk:
zufällig denn aus Absicht blieb Varros Blick an der Bronzefibel haften, die im Schein der Abendsonne hell aufzuleuchten begann. Ein X und ein P – wo, bei Minerva, hatte er das Monogramm schon einmal gesehen? »So merkwürdig dies klingen mag, das war sein Beruf.«
    Â»Töten ist kein Beruf. Es ist eine Sünde.«
    Im Begriff, etwas zu erwidern, kam Varro die Erleuchtung. Chi und Rho, natürlich! Allmählich wurde er wirklich alt. »Steht doch geschrieben: Du sollst nicht töten.«
    Sichtlich verblüfft, drehte sich Merabaudis um. »Na, wenn das keine Überraschung ist!«, versetzte sie, ein schelmisches Lächeln im Gesicht. »Dass du ein Bruder von mir bist, war mir bis jetzt nicht bekannt.«
    Â»Mir auch nicht!«, meldete sich Probus zu Wort, der Tonfall bissiger denn je. »Aber bei Gaius weiß man das nie so genau. Heute Jupiter, morgen Jesus – so sind sie eben, unsere Politiker! Nehmen wir doch nur den Kaiser. Bei dem weiß man auch nicht, auf wessen Seite er steht!«
    Â»Bist du jetzt fertig, Probus?«, schnauzte Varro, kurz davor, aus der Rolle zu fallen. »Wenn du gestattest, würde ich gern fortfahren!«
    Â»Wie gesagt«, mischte sich Merabaudis ein, bemüht, die Wogen zu glätten, »so kummervoll wie gestern hatte ich Niger noch nie erlebt. Eigentlich habe ich nicht mit ihm gerechnet, aber plötzlich stand er vor der Tür. Es war schon spät, wie spät, weiß ich nicht mehr genau. Als Erstes hat er nach dem Jungen gefragt, das macht er immer, wenn er nach Hause kommt. Aber der lag schon im Bett.« Merabaudis wandte sich erneut ab. »Und dann … Tja, dann hat er sich alles von der Seele geredet.«
    Â»Lass mich raten: Es ging um den Lanista.«
    Â»Um den auch. Vor allem aber ging es um die Kaiserin.«
    Â»Wie bitte?«, rief Varro aus, genauso überrascht wie Probus, mit dem er einen raschen Blick tauschte. Und ergänzte, nur um mitten im Satz zu verstummen: »Was in aller Welt hat ein Retiarius mit der Kaiserin …«
    Â»Ich sehe, wir verstehen uns.« Das Gesicht hart wie Stein, verschränkte Merabaudis die Arme. »Vor zwei Tagen, genauer gesagt in der Nacht vor dem Kampf, hat sie ihn zu sich in den Palast rufen lassen. Weshalb, muss ich wohl nicht sagen.«
    Â»Nein, musst du nicht.« Varro war wie vor den Kopf gestoßen. »Ich glaube, jetzt muss ich mich erst mal setzen«, flüsterte er, lehnte seinen Stock ans Tischbein und ließ sich auf den Stuhl am Kopfende des Tisches sinken. »Beim Belenus – jetzt wird mir einiges klar.«
    Â»Um es vorwegzunehmen: Er hat ihr Ansinnen zurückgewiesen.«
    Â»Eine Abfuhr mit Folgen, hab ich recht?«
    Merabaudis nickte. »Es war nicht das erste Mal, dass er … dass es eine Frau darauf angelegt hat, das Lager mit ihm zu teilen. Ob reich, ob arm, jung oder alt – manche meiner Geschlechtsgenossinnen sind eben so. Nicht alle, aber einige – allen voran die reichen. Die können es sich leisten, würden jeden Preis zahlen. Für die ist ein Gladiator wie ein Trophäe. Man wetteifert darum, erfreut sich an ihr – und entledigt sich ihrer, wenn man den Reiz des Neuen genossen hat.«
    Â»Ergo: Jeder ist käuflich – sogar Gladiatoren.«
    Merabaudis schüttelte das blonde Haupt. »Wenn hier jemand käuflich ist, dann der Lanista. Mit Geld kann man bei Maximinus alles erreichen.«
    Â»Anders ausgedrückt, in der Arena geht es nicht mit rechten Dingen zu.«
    Â»Du hast es erfasst, Dekurio. Geld regiert nun einmal die Welt.«
    Â»O tempora, o mores!«
    Â»Ich fürchte, auch da kann ich dir nicht widersprechen.« Merabaudis hielt inne, und ein abfälliges Lächeln verzerrte ihr Gesicht. »Was sind das für Zeiten, wo Menschen um des Vergnügens willen abgeschlachtet werden! Wo die Reichen immer reicher, die Armen ärmer, die Regierenden immer dreister, die Regierten andererseits immer mutloser werden. Ist das etwa gerecht, Herr? Ist es gerecht, wenn Menschen versklavt, in die Arena geschickt und wie wilde Tiere aufeinander losgelassen werden? Wenn ihnen kein Ausweg bleibt, als Gefährten, Freunde oder Stammesgenossen zu töten? Und das alles nur, damit sich die Plebs nicht zu Tode langweilt?«
    Â»Erstens: Ich mache mir nichts aus den Spielen. Zweitens: Ich bediene mich nicht nur, ich diene auch. Drittens: Ja, auch ich habe

Weitere Kostenlose Bücher