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Die Stunde Der Jaeger

Die Stunde Der Jaeger

Titel: Die Stunde Der Jaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carrie Vaughn
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den Kopf. Dann schien sein ganzer Körper zusammenzufallen. Als entwiche ihm sämtliche Luft. Das Gesicht wurde faltig, und die Augen erstarben.
    Eine menschliche Hand kroch unter dem Körper des Löwen hervor und zog das gelbbraune Fell beiseite. Darunter kam ein nackter Mann zum Vorschein, der im Schmutz kauerte. Ein langer grauer Zopf fiel ihm über die Schulter.
    Lawrence Wilson blickte lächelnd zu uns auf.
    Â»Sie sind zuerst an Louise geraten. Glück gehabt. Großes Glück gehabt.«
    Ich berührte meine Brust und spürte die harte Form der Pfeilspitze unter meinem T-Shirt. Das Amulett funktionierte. Das verfluchte Ding funktionierte.
    Â»Verschwinden wir, verdammt noch mal«, murmelte ich Ben zu.
    Vorsichtig, immer auf der Hut, umkreisten wir den alten Mann. Ohne uns aus den Augen zu lassen, stand er auf, machte jedoch keinen weiteren Schritt auf uns zu. Rasch schlüpften wir in den Wagen.

    Die Reifen wirbelten Schotter auf, weil ich schnell von hier fortkommen wollte. Lawrence stand am Rand der unbefestigten Straße und sah uns nach. Er schien meinen Blick im Rückspiegel zu erwidern, bis wir außer Sicht waren. Das Fell des Berglöwen hing schlaff in seiner Hand.
    Nachdem wir den Hügel umfahren hatten und nicht mehr in Sichtweite waren, warf ich Ben einen verstohlenen Blick zu. Er saß zurückgelehnt da und starrte ausdruckslos vor sich hin.
    Â»Alles in Ordnung?«
    Nach einer Pause nickte er. »Ja. Ich glaube schon.«
    Wir fuhren von der unbefestigten Straße auf den Asphalt. »Gut.«
    Bei unserer Rückkehr in das Motel war erneut die Dämmerung hereingebrochen. Der Himmel hatte sich tiefblau verfärbt, und ein kalter Wind fegte über den Parkplatz. Der Wind roch trocken, ausgedörrt und wild. Falsch. Als wäre etwas da draußen auf der Suche nach uns und wollte uns ein Leid antun. Vielleicht handelte es sich um reine Paranoia. Vielleicht aber auch nicht.
    Wir hatten Polizeiberichte, Totenscheine, Coroner-Berichte. Wir hatten zwei Zeugenaussagen, ein paar Zeitungsartikel. Geschichten von Verbrechen, die vielleicht verübt worden waren, vom üblen Ruf einer gewissen Familie und Menschen, denen nur daran gelegen war, dass die Gerüchte und die Angst verschwanden. Wir hatten keine stichfesten Beweise, dass Miriam etwas anderes als eine in höchstem Maße geistesgestörte junge Frau gewesen
war, oder dass Cormac keine andere Wahl gehabt hatte, als sie umzubringen.
    Wir stiegen aus dem Wagen. Ben warf die Tür zu, blieb stehen, stützte sich dann auf die Motorhaube und trat gegen den Reifen. Und noch einmal.
    Â»Würdest du bitte aufhören, gegen mein Auto zu treten?«, fragte ich.
    Die Hände auf der Motorhaube, beugte er sich vor, schwer atmend. Seine Wut war dabei, ihn zu überwältigen, was bedeutete, dass sein Wolf dabei war, die Führung zu übernehmen.
    Â»Alles in Ordnung?«
    Ich wusste nicht, was ich tun sollte, falls er anfing sich zu verwandeln. Er hatte nicht genug Erfahrung, um nicht die Beherrschung zu verlieren, wenn alles um einen herum das Tier wachrüttelte. Wenn man nur noch weglaufen wollte.
    Â»Ben?«
    Er drehte den Kopf und betrachtete mich über seinen Arm hinweg. Trotz der kühlen Luft schwitzte er. Er zitterte vor Anspannung. Ich hatte Angst, er werde aus der Haut fahren, falls ich ihn berührte. »Dieser Ort macht mir zu schaffen. Ich hasse ihn. Ich hasse ihn abgrundtief, verdammt noch mal!«
    Etwa so, wie ich einen gewissen Wanderweg hasste, an dem ich in einer Vollmondnacht gestrandet war, vor ungefähr viereinhalb Jahren.
    Â»Ben, reiß dich zusammen.«
    Â»Hör endlich auf, mir das immer zu sagen! Es ist alles andere als hilfreich.«

    Was auch immer ich jetzt sagte, würde gönnerhaft klingen. »Ich weiß, dass es schwer ist. Es wird leichter werden. Es wird schon leichter.«
    Â»Das glaube ich dir nicht.«
    Â»Sieh doch mich an! Wenn ich es so lange schaffe, kriegst du das auch hin.«
    Er richtete sich auf, trat vom Wagen weg und begann auf und ab zu gehen. Das Auf-und-ab-Gehen war etwas Wölfisches, eine nervöse Angewohnheit, die Bewegungen eines Tieres, das in einem Käfig gefangen saß. Am liebsten hätte ich ihn gepackt und dafür gesorgt, dass er aufhörte.
    Â»Nein«, sagte er, »das glaube ich nicht. Du bist stärker als ich.«
    Â»Wie kannst du das sagen?« Beinahe musste ich lachen. »Weil es

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