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Die Stunde Der Jaeger

Die Stunde Der Jaeger

Titel: Die Stunde Der Jaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carrie Vaughn
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Ben, der das abgeschiedene Haus anstarrte.
    Â»Bringen wir es hinter uns.« Ich stieg aus dem Wagen, und Ben folgte mir langsam.
    Ich hatte Angst, an der Tür zu klopfen. Sie sah aus, als würde ein tiefes Seufzen sie aus den Angeln heben. Ich gab mir Mühe, sanft zu pochen. Die Wände erzitterten, doch nichts ging in die Brüche.
    Niemand kam, was im Grunde keine echte Überraschung war. Dies sah nicht nach einem Ort aus, an dem die Tür aufgerissen und man zur Begrüßung umarmt wurde. Ja, ich erwartete fast, Klapperschlangen oder jaulende Kojoten in der Ferne zu hören.
    Ich klopfte erneut und wartete eine weitere Minute Stille ab. »Und nun?«
    Â»Niemand zu Hause?« Ben zuckte mit den Schultern. »Vielleicht können wir später noch mal wiederkommen.«

    Allzu viel Zeit um zu warten, blieb uns nicht. Allerdings hatten wir auch keine andere Wahl. Was konnten wir schon machen: durch die ganze Stadt fahren und willkürlich Leute fragen, wo Lawrence zu finden sei?
    Â»Was wollen Sie?« Ein Mann sprach mit einem Akzent, als sei Englisch nicht seine Muttersprache.
    Wir wollten schon gehen, als der Mann, der am anderen Ende des Bauwerks lehnte, uns ansprach. Er war kleiner als ich, massig, ohne korpulent zu sein. Er war alt, verwittert wie Stein, rau und zerzaust. Seine Haare hingen in einem langen grauen Zopf hinab.
    Â»Was wollen Sie?«, sagte er erneut, jedes einzelne Wort abgehackt und argwöhnisch.
    Â»Sind Sie Lawrence Wilson?«, fragte Ben. »Miriam Wilsons Großvater?«
    Er antwortete nicht, doch Ben blieb gelassen und schien bereit auszuharren.
    Â»Ja«, sagte der alte Mann schließlich. Aus irgendeinem Grund klang das Wort erschütternd.
    Â»Ich weiß nicht, ob die Polizei Sie informiert hat – Miriam ist getötet worden.«
    Er nickte mit unveränderter Miene. »Ich weiß.«
    Â»Wir versuchen herauszufinden, was sie vorher gemacht hat.«
    Lächelte Lawrence etwa, bloß ein ganz klein wenig? »Was hat sie denn Ihrer Meinung nach gemacht?«
    Â»Ich glaube, sie hat ihre älteste Schwester umgebracht.«
    Er glitt an uns vorbei und öffnete die Eingangstür. Weder verriegelt noch abgesperrt noch sonst etwas. Sie ging einfach auf.

    Â»Haben Sie Beweise?«, fragte er.
    Â»Die suchen wir noch.«
    Â»Und Sie sind hierhergekommen, um welche zu finden?«
    Â»Sie haben die Vermisstenanzeige aufgegeben. Der Rest der Familie scheint Miriam nur allzu gerne vergessen zu wollen. Sie hingegen nicht. Warum?«
    Lawrence stand im Türrahmen und hielt sich daran fest. Ich dachte schon, er werde die Tür mit zutiefst erboster Miene zuknallen. Doch er rührte sich nicht und betrachtete uns nur mit harten dunklen Augen.
    Â»Wenn ich sie zuerst gefunden hätte, hätte ich ihr helfen können. Ich hätte sie aufhalten können. Deshalb habe ich sie als vermisst gemeldet.«
    Â»Aber sie ist niemals aufgetaucht. Sie haben sie nicht gefunden.«
    Â»Sie wollte nicht gefunden werden.«
    Er ging ins Haus, ließ aber die Tür offen. So etwas wie eine Einladung.
    Ben und ich wechselten Blicke. Er zuckte leicht mit den Schultern. Daraufhin folgte ich Lawrence ins Haus, in diese Höhle von einem Haus. Ich konnte spüren, wie Ben hinter mir durch die Tür trat.
    Etwas Derartiges hatte ich noch nie gesehen. Der Boden bestand aus Erde. Das Haus war nicht solide. Die Planken waren verwittert und schief, sodass die Sonne durch die Spalten dazwischen schien. Staubpartikel schwebten in den Lichtstrahlen, die ins Innere drangen. In diesem eigenartigen ausgeblichenen Dunstschleier konnte ich die Zimmerausstattung erkennen: getrocknete Pflanzenbündel waren an den Stielen aufgehängt. Salbei
vielleicht, Yuccawedel, andere konnte ich nicht identifizieren. An der gegenüberliegenden Wand hingen Felle. Tierhäute. Augenlose Köpfe und knurrende leere Mäuler starrten mich an: das helle Fell eines Kojoten; ein riesiges, ungeschlachtes Fell, das den größten Teil der Wand bedeckte – ein Bär; das glänzende gelbbraune Katzenfell eines Berglöwen. Und ein gewaltiges Kanidenfell voll dichtem schwarzem Pelz. Wolf. Eines von jeder Sorte. Sein eigener Katalog.
    Ich roch nichts. Jedenfalls roch ich nichts von dem, was ich erwartete. Ich hätte Pelz, gegerbte Haut, Kräuter, die stickige Luft wittern sollen. Doch stattdessen roch ich nichts als Tod. Todesgestank überlagerte alles

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