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Die Stunde Der Jaeger

Die Stunde Der Jaeger

Titel: Die Stunde Der Jaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carrie Vaughn
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Zufall hatte uns zusammengeführt. Doch das glaubte ich nicht mehr, nicht wirklich, denn etwas rührte an mir. Etwas hielt mich davon ab wegzusehen. Ich konnte mich nicht von ihm abwenden.
    Ich zuckte mit den Schultern. »Es ist sinnlos, einen auf Konventionen zu machen.«

    Â»Wieso hast du dir überhaupt die Mühe gemacht, mir zu folgen?« Er legte den Kopf schräg und betrachtete den Horizont. »Wieso bist du geblieben?«
    Ich berührte sein Gesicht. Es war mir schier unmöglich, ihn nicht zu berühren. Ich hielt ihn, brachte ihn dazu, mich anzuschauen, mein Lächeln zu sehen. Es war wieder einmal eine dieser Situationen, die auf Menschen zu eigenartig, zu seltsam wirkten, um auch nur darüber nachzudenken. Hier saßen wir bei Tagesanbruch mitten in der Wüste, ich im Schlafanzug, er nackt. Doch es fühlte sich nicht seltsam an. Es fühlte sich richtig an, neben ihm zu sitzen und ihn in meine Arme zu ziehen.
    Â»Du hast Angst, dass es bloß an der Lykanthropie liegt. Dass ich nicht hier wäre, wenn wir beide nicht Werwölfe wären. Du solltest wissen, dass ich nicht einfach irgendjemandem nachgelaufen wäre. Ich hätte mich nicht um jeden neuen Werwolf gekümmert, der vor meiner Tür auftauchte. Ich hätte nicht die ganze Nacht neben sonst wem in der Wüste gesessen.«
    Er lehnte den Kopf an meinen. »Und du sagst das nicht bloß, damit ich mich besser fühle?«
    Â»Ich weiß nicht, fühlst du dich denn besser?« Er stieß ein unschlüssiges Knurren aus. »Ben, du bist nackt. Ich kann doch keinen nackten Mann anlügen!«
    Er griff nach meiner Hand, die auf seinem Oberschenkel ruhte. Dann betrachtete er sie und rieb meinen Handrücken mit dem Daumen. »Wenn du nicht lügen kannst, sollte ich dich jetzt etwas fragen. Was auch immer ich wissen möchte; jetzt ist meine Gelegenheit.«
    Es war die Art Gespräch, die frische Pärchen am Morgen
nach dem Sex führten. Ich war mir sicher, dass ich keine Geheimnisse vor ihm hatte – er war mein Anwalt, verdammt noch mal! Doch solche Gespräche waren auch Prüfungen. Unbehaglich sagte ich: »Sicher.«
    Â»Du und Cormac, habt ihr jemals was miteinander gehabt? « Er zuckte leicht mit den Schultern.
    Â»Nein. Ein paarmal waren wir nahe dran. Er hat immer einen Rückzieher gemacht.«
    Er nickte, als überraschte ihn das nicht. Als sei das eben so bei Cormac. Dann fragte er: »Wenn ich nicht dazwischengekommen wäre, wäre dann irgendwann etwas aus euch beiden geworden?«
    Dies waren Fragen, die ich mir selbst nicht zu stellen wagte.
    Â»Ich weiß es nicht. Ben, warum musst du das alles wissen?«
    Â»Ich habe Angst, dass ich ihm die Sache vermasselt habe. Wieder einmal. Aber das läuft jetzt alles unter ›Was wäre wenn‹, nicht wahr? Es lässt sich nicht sagen, was vielleicht passiert wäre.«
    Nein. Es ließ sich überhaupt nicht sagen. Diese »Was wäre wenn« - Fragen verfolgten einen das ganze Leben lang, nicht wahr? Was wäre, wenn ich mich nicht in einer Vollmondnacht an dem Wanderweg befunden hätte? Was wäre, wenn ich Cormac nicht begegnet wäre? Was wäre, wenn er Ben nicht zu mir gebracht, sondern ihn stattdessen erschossen hätte? Was wäre, wenn ich ihn damals in der Nacht in mein Apartment gebeten hätte …?
    Ich hatte Ben hier bei mir, kein »Was wäre wenn«. Musste nach vorne schauen.

    Â»Du hast nichts vermasselt. Cormac hat nie den Mumm gehabt, mit mir darüber zu reden.«
    Â»Was für eine Ironie! Dabei ist er immer der Starke gewesen.«
    Ben hatte seine eigene Form von Stärke. Ich lächelte. »Was ist mit dir? Bist du mit mir zusammen, weil du es möchtest, oder weil du ein Opfer der Umstände bist?«
    Er küsste mich sanft, eine leichte Berührung warmer Lippen. Dann nahm er mein Gesicht in die Hände und hielt mich einen Augenblick. Und ich fühlte mich sicher bei ihm.
    Ich stand auf, rieb mir die kribbelnden, eingeschlafenen Beine und zog an seiner Hand. »Komm schon. Es ist ein langer Rückweg, und du hast keine Klamotten.«
    Stöhnend bedeckte er sich die Augen. »Es ist immer eine verdammte Katastrophe nach der anderen, nicht wahr?«
    Langsam erhob er sich, und wir gingen zurück, Seite an Seite, die Arme umeinander gelegt.
    Wir fanden seine Kleidung auf dem Rückweg zum Motel, was gut war. Dann mussten wir

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