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Die Stunde der Schwestern

Die Stunde der Schwestern

Titel: Die Stunde der Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Maybach
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zwischen ihnen dar, und Hippolyte erkannte, dass es das war, was Marie-Luise jetzt brauchte: eine schwache tröstliche Hoffnung für die Zukunft.
    »
Salut,
Tristan!« Sie ging vor dem Hund in die Knie und küsste ihn auf die feuchte Schnauze und auf die dicken, langen Ohren. Dann verbarg sie plötzlich ihr Gesicht in seinem Fell, um ihre Tränen zu verbergen.
»Salut, mon ami, je t’aime … je t’aime …«
    Hippolyte wandte sich ab und fühlte Franks vorwurfsvollen Blick auf sich gerichtet. Als er den Freund ansah, schüttelte der missbilligend den Kopf. Beiden war klar, dass Marie-Luise nicht den Hund gemeint hatte. Dann half Frank Marie-Luise ins Auto und stieg ein. Grußlos brauste er davon.
    Hippolyte sah ihnen nach, bis das Auto verschwunden war. Dann drehte er sich um und ging ins Haus zurück.
    »Komm, Kumpel!«, rief er dem Hund zu, der ihm mit einem müden Wedeln seines Schwanzes folgte.
    In der Küche holte Hippolyte eine Flasche Pastis vom Regal und schenkte sich ein Glas ein.
    »Santé!«
, prostete er dem Hund zu, der jede seiner Bewegungen mit traurigen Augen verfolgte. »Ja, ich vermisse sie auch«, sagte Hippolyte laut zu ihm. Als er sein Glas auf den Tisch stellte, fiel ihm ein Zettel auf, den Marie-Luise gut sichtbar auf eine umgekippte Schüssel gelegt hatte.
     
    Verzeih mir,
    Bérénice hat mehrmals angerufen, doch ich habe es Dir nicht gesagt. Ruf sie an, Du liebst sie doch!
     
    *
    Am späten Nachmittag kam Frank zurück. Hippolyte saß am Tisch vor dem Haus und versuchte, sich auf seine Bankunterlagen für den Kredit zu konzentrieren. Frank warf ihm nur einen kurzen Gruß zu, verschwand im Haus und kam mit der Flasche Pastis und zwei Gläsern zurück.
    »Eine solche Frau gehen zu lassen«, fing er an und zog sich einen Stuhl an den Tisch heran. Missbilligend schüttelte er den Kopf. »Ich versteh dich nicht, was ist falsch an ihr? Sie ist jung, schön, sie liebt dich, Mann.«
    »Ich möchte jetzt nicht darüber reden«, erklärte Hippolyte eigensinnig und schenkte beiden ein. So sprachen sie über die Felder, über Gaston, der bereit war, mit dem Preis herunterzugehen, und nach zwei Gläsern Pastis hatte Hippolyte sich entschieden: »Ich nehme einen weiteren Kredit auf, ich riskiere es.«
    Darauf stießen sie erneut an. Dann setzte Hippolyte sein Glas ab und sah seinen besten Freund an.
    »Es wäre auf Dauer nicht gutgegangen«, sagte er. »Ich mag Marie-Luise wirklich, aber ich liebe sie nicht. Leider habe ich zu spät erkannt, wie ernst sie unsere Beziehung nahm. Das tut mir leid. Marie-Luise wollte mehr, sie wollte, was ich nur mit
einer
Frau teilen möchte.«
    »Und was ist das?« Frank sah ihn missbilligend an.
    »Mein Leben«, antwortete Hippolyte leise. Da griff Frank schweigend nach der Hand seines Freundes und drückte sie. »Ich weiß.«
    »Aber Bérénice hat jetzt ihr neues Leben, sie braucht die Stadt, sie braucht Paris, sie würde hier nicht glücklich werden. Es ginge niemals gut«, sinnierte Hippolyte weiter.
    »Und du gehörst hierher«, antwortete sein Freund, nahm die Flasche Pastis und schenkte nach. Sie tranken sich noch einmal zu, und als sie ihre Gläser auf den Tisch stellten, rückte Frank mit seiner Neuigkeit heraus: »Bérénice ist hier. Ich habe sie vor dem Krankenhaus gesehen. Wenn du sie liebst, fahr runter oder ruf sie wenigstens an!«
    »Ja, das mache ich«, versprach Hippolyte seinem Freund, der sich leicht schwankend erhob und dann verabschiedete.
    Hippolyte sah ihm nach, wie er in den Peugeot stieg, eine rasante Wende riskierte und die Bergstraße hinunterbrauste.
    Ich hätte ihn aufhalten müssen, machte Hippolyte sich Vorwürfe und horchte dem Wagen nach, bis sich das Geräusch des Motors in der Ferne verlor. Dann stand er auf und trug Gläser und Flasche in die Küche.
    »Weißt du …«, Hippolyte beugte sich zu Tristan hinunter, der hinter ihm hergetrottet war. »Sie hat angerufen, weil sie sich endgültig für Paris entschieden hat. Für Paris und diesen … diesen Modeaffen, diesen Fotografen. Das ist es, was sie mir sagen wollte.«
    *
    Denise saß im Innenhof des Krankenhauses auf einer Bank im Schatten der großen, knorrigen Platanen.
    Bérénice stand hinter der Glastür, die in den Hof führte, und beobachtete sie. Denise trug ihr altes weißes Kleid, am Saum besetzt mit Häkelspitze, und in ihre grauen Haare hatte sie sich eine frische Rose gesteckt. Versunken in sich selbst, blickte sie auf ihre Füße hinunter, die sie baumeln ließ.

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