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Die Stunde der Seherin - Historischer Roman

Die Stunde der Seherin - Historischer Roman

Titel: Die Stunde der Seherin - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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hörte sie, durch den Gesang, das Stimmengewirr und den Lärm vor der Kathedrale hindurch. Margaret drehte sich um, ihr Schrei flatterte wie eine aufgeregte Taube durch den Dachstuhl, und dann stürzte sie los, auf Christina zu, stolperte über ihr Kleid, fing sich gerade noch und flog dann in ihre Arme, während das goldene Buch aus Christinas Händen glitt und zu Boden polterte.
    Eng umschlungen und haltlos schluchzend sanken die Schwestern in die Knie, umfassten sich, küssten und liebkosten sich ungestüm und ohne sich darum zu kümmern, was die Leute in der Kirche dazu sagten.
    Christina bohrte ihr Gesicht an die Schulter der Schwester. »Wie hab ich das nur ausgehalten – wie hab ich das nur geschafft ohne dich –, heiliger Jesus, wie hab ich das nur geschafft«, stammelte sie und fühlte Margarets Hände in ihrem Haar.
    »Stina – ich hab solche Angst um dich gehabt!«, flüsterte Margaret. »Du hast den Fluch die ganze Zeit getragen, Gott schütze dich, meine liebe, liebe Schwester – hast du ihn gesehen? Hast du ihn gesehen, Stina …? Den Schrecklichen? Hat er sich dir gezeigt? Hat er dir etwas getan?«
    »Er war die ganze Zeit bei mir«, antwortete Christina so leise, dass niemand mithören konnte. »Er war da, aber er hat mir nichts getan. Ich hab ihn nicht gelassen …«
    »Und nun ist er fort …?«
    »Nun ist er fort.« Sie nahm Margarets fein geschnittenes Gesicht in beide Hände und schaute ihr in die schönen blauen Augen. »Nun ist er fort, mit allen, die dazugehörten. Das Buch ist gereinigt und gesegnet und soll dir von nun an ein guter Begleiter sein.«
    »Ich kann darin lesen …?«
    »Du kannst darin lesen und deinem Mann nun eine gute Ehefrau sein.« Sie lächelte. »Das wird er wissen wollen. Und das solltest du ihm jetzt sagen, Magga.«
    Die Schwester errötete. Christina konnte nur argwöhnen, dass sie sich in all den Tagen nach Malcolm verzehrt hatte. Wehmut glitt durch ihren Geist. Sie wusste ja jetzt, wie sich das anfühlte – und wie Erfüllung gleichzeitig sättigte und Hunger auf mehr weckte.
    Und gemeinsam knieten sie vor dem goldenen Stundenbuch und schlugen es auf, blätterten Seite für Seite der prachtvoll verzierten Texte um, und nichts als heilige Andacht wehte ihnen entgegen … »Retine gressus meos in semitis tuis, ut non moveantur vestigia mea.« – »Ad vesperum demoratur fletus, ad matutinum laetitia.« – »Ego autem semper tecum; tenuisti manum dexteram meam.« Sie betrachteten die köstlichen Malereien, und Christina erinnerte sich mit Zärtlichkeit an die feinen Hände des alten Mönchs.
    »Ich nehme an, unser Exil hat hiermit nun ein Ende«, dröhnte da die Stimme des Königs hinter ihnen. »Ich nehme an, Ihr wolltet mir sagen, dass Ihr mein Weib von ihrem verdammten Zölibat nun erlöst habt.«
    Ein wenig verärgert sah er schon aus, vermutlich weil sich niemand um ihn kümmerte, weil die beiden Schwestern sich so einträchtig umarmten und weil die ganze Sache sowieso nicht nach Malcolms Geschmack war. Jeder wusste, dass die kleine Schwester ihm ein Dorn im Auge war, weil er Margaret mit ihr teilen musste. Nial konnte seinen Ärger deutlich spüren und wunderte sich, dass er nicht viel früher eingeschritten war. Er hatte der Wiedersehensfreude vom Altar aus erstaunlich lange zugesehen. Nun wurden seine Schultern immer breiter, und Nial konnte nicht anders – er überschritt die Kirchenschwelle, um Christina zu schützen, obwohl ihm der Zutritt zu allen Höfen des Königs verboten war.
    Christina stand auf und trat auf Malcolm zu. Sie überreichte ihm das Buch. » A rìgh – Euer Hochzeitsgeschenk. Es ist nun ohne Gefahr für Eure Frau. Es ist losgesprochen und gesegnet worden – nehmt es und wagt einen neuen Anfang.«
    Man sah ihm an, wie der Ärger eine Antwort verhinderte, wie Malcolm nach Worten suchte – suchte – und das Buch unter den Arm nahm. Dann streckte er die Hand nach Margaret aus und zog sie an seine Seite und ein Stück hinter sich, damit niemand sie ihm mehr wegnehmen konnte. Und weil sein Gesichtsausdruck davon so friedlich wurde, vergaß Nial alle Vorsicht und tat auch den letzten Schritt – in die Kirche hinein und an Christinas Seite, wo er verdammt noch mal hingehörte.
    Der Friede zerstob. Er war ein Narr, dass er an Frieden geglaubt hatte.
    »Ihr wagt es«, rief der König, »Ihr wagt es, Euch über mein Verbot hinwegzusetzen …«
    »Richtet über mich, a rìgh .«
    Margaret warf sich vor Malcolm auf die Knie, just als dieser

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