Die Stunde der Seherin - Historischer Roman
hlæfdige «, sagte Máelsnechtai nicht ohne Bewunderung. »Euer Vater wäre entsetzt … oder stolz.« Er zog die Augenbrauen hoch. »Ich wäre vermutlich – hm – stolz auf so eine Tochter.«
Sie schenkte ihm ein strahlendes Lächeln, das er annahm wie ein Geschenk. Sie fühlte nur noch Sanftmut in sich, und nicht einmal er konnte jetzt noch irgendetwas Falsches sagen. Und ja – der Vater wäre vermutlich eher entsetzt über ihre Eigenmächtigkeit, ihren Trotz und das Licht, das sie auf das Blut seiner altehrwürdigen Familie geworfen hatte. Aber er hatte auch immer gewusst, dass sie Margaret mehr liebte als alles andere auf der Welt und alles für sie gewagt hätte – daher hätte er ihr ihren Ausflug am Ende verziehen.
Vielleicht wäre er sogar stolz gewesen. Nicht auf ihr unziemliches Abenteuer, aber darauf, wie man sie auf der Burg des Schottenkönigs empfing. Dass die Weiber, mit denen sie so lange die Kammer geteilt hatte, ohne ihre Zunge zu verstehen, vor der Zugbrücke Spalier standen und dass sich auf der Brücke allerlei hochgeborenes Volk versammelte, um die Reisegruppe lautstark zu begrüßen – so lautstark, dass Máelsnechtais Handpferd sich losriss und mit großen Galoppsprüngen über die Brücke stürmte, während Bündel, Decken und Taschen durch die Luft flogen, weil sich die Verschnürung gelöst hatte. Viele Hände fingen das Gepäck auf, bevor es in die Schlucht fallen konnte, man stützte sich gegenseitig, damit niemand von der Brücke rutschte, und das wilde Pferd war schnell wieder eingefangen. Unter Hurra-Rufen ritten sie durch das Tor von Dunfermline, und alle waren gekommen, um sie zu begrüßen – alle, bis auf den König. Christina lächelte vor sich hin. Sie hätte es ihm übel genommen, wenn er jetzt nicht bei seiner Frau in der Kirche gewesen wäre.
Es war gut, dass sie bis Dunfermline Schweigen gelobt hatte – aus Máelsnechtais Bemerkungen über ihren Vater und dessen Meinung zu seiner Tochter hätte schnell wieder ein Streit entspringen können, denn selbstverständlich hatte der Mórmaer seine Ansprüche auf Christinas Hand keinesfalls in Jarrow zurückgelassen. Und so gab es vor der Kathedrale denn auch ein nervöses Hin und Her, als sie inmitten all der Begleiter, die sich mittlerweile dazugesellt hatten, vom Pferd stieg und auf das Kirchenportal zugehen wollte. Máelsnechtai wollte sich vordrängeln und ihren Arm nehmen, jemand schubste ihn zur Seite – Nial? –, und dann war das schwarze Pferd zwischen ihnen, um sie vor Zudringlichkeiten zu schützen, und biss um sich. Der Mórmaer schrie wütend auf, gab dem Gaul einen saftigen Tritt in die Seite, worauf dieser einen Satz machte, mit dem Huf auf Menschenfüße trat und schließlich neben Christina stieg. Nial hängte sich in den Zügel, und sein Bruder riss das Pferd nach der anderen Seite herum, bevor es noch mehr Menschen verletzen konnte. Derweil öffnete sich das Kirchenportal von innen, und Gesang drang nach draußen.
»Iubilate Deo, omnis terra, psalmum dicite gloriae nominis eius, glorificate laudem eius. Dicite Deo: Quam terribilia sunt opera tua. Prae multitudine virtutis tuae blandientur tibi inimici tui. Omnis terra adoret te et psallat tibi …«
Und während hinter ihr Männer die wild gewordene Stute zu beruhigen versuchten, betrat Christina, geschützt durch den Kampf des Pferdes, die Kathedrale, in der ihre Schwester seit vielen Tagen saß und auf sie wartete. Doch diesmal war das Gotteshaus hell erleuchtet, wie beseelt vom Wunsch, das Winterdunkel mit dem Licht unzähliger Kerzen zu erhellen. Es gab ja nicht viele Mönche in Dunfermline, und ein paar waren wohl noch aus St. Andrews zu Bischof Fothad und seinen Ministranten gestoßen. Sie formten den kleinen Chor, der es schaffte, die Weite der Kirche zum Schwingen zu bringen.
»Convertit mare in aridam, et in flumine pertransibunt pede; ibi laetabimur in ipso«, sangen sie von Gottes großen Werken, und Weihrauch tanzte selbstvergessen durch die Luft.
Ein vornehm gekleidetes Paar kniete vor dem Altar, und diesmal war es kein Traum und kein Trugbild – er hielt ihre Hand, während sie beteten, und man hörte ihrer beider Stimmen den Psalm der Mönche beantworten.
»Magga«, flüsterte Christina, mit einem Mal fassungslos über die glückliche Heimkehr und so zu Tode erschöpft, dass sie keinen weiteren Schritt mehr gehen konnte. Das Stundenbuch, das sie auf ihre Hände geladen hatte, schien Tonnen zu wiegen. »Magga …«
Und die Schwester
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