Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Stunde Der Toechter

Titel: Die Stunde Der Toechter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Herzig
Vom Netzwerk:
sie allerdings.
    Grazia hatte einen Zacken zugelegt. »Wir sind gleich da, Jo«, rief sie ihr zu.
    Johanna sprang über eine Wurzel und gab Gas. Viel länger würde sie dieses Tempo nicht durchhalten. Tatsächlich lichtete sich der Wald. Eine fette grüne Wiese erschien in ihrem Blickfeld. Voller gleißender Sonnenstrahlen.
    Grazia hatte sich ins Gras fallen lassen. Johanna sprintete zu ihr hinüber und legte sich neben sie. Wie Ertrinkende schnappten beide nach Luft. Unter den Bäumen war es kühler gewesen. Als sie wieder zu Atem gekommen war, realisierte Johanna, dass sie von der Lichtung aus einen wunderbaren Blick über den See hatten.
    »Hübsch, nicht?« Grazia setzte die Wasserflasche an.
    Johanna nickte. »Ich kenne einen ganz ähnlichen Platz. Da gehe ich manchmal mit Camenzind hin. Dann reißen wir uns gegenseitig die Kleider vom Leib und vergessen alles darum herum.«
    Grazia lachte. »Sex auf offenem Feld? Wie alt bist du eigentlich?« Sie spritzte Johanna Wasser ins Gesicht.
    »Verdammt alt«, murmelte Johanna.
    »Ist Camenzind der Werber mit dem großen Auto?« Grazia legte ihren Kopf auf das Gras und blinzelte in die Sonne. »Der Familienvater?«
    »Ganz genau. Große Klappe, hässlicher Wagen, charmantes Lächeln.«
    »Klingt nach deinem Typ. Willst du eine Zigarette?«
    Johanna hustete schon allein bei dem Gedanken daran. »Nie im Leben.«
    Grazia grölte. »Habe gehört, dass du Zoff mit dem Kran hattest. Ist es schlimm?«
    »Es hat sich erledigt. Er hat zu viel von dem Dreck geglaubt, den ihm Schürch über mich erzählt hat. Sie dachten, ich hätte Informationen an die Medien gegeben.«
    »Na und? Das machst du doch manchmal.«
    Johanna setzte sich auf und versetzte Grazia einen Stoß in die Seite. »Nimm dich in Acht, du Schlampe!«
    Grazia grinste.
    Johanna legte sich wieder hin. »Warum nennst du ihn eigentlich Kran?«
    »Wen? Kev?«
    »Ja, genau den.«
    Grazia kaute auf einem Grashalm. »Weil er den Kopf hoch trägt. Welchen Schürch hast du vorhin eigentlich gemeint? Sebastian?«
    Johanna nahm die Flasche von der Halterung an ihrem Gürtel. »Ja. Kennst du diese Schlange?« Sie setzte an. Das Wasser war warm.
    Grazia lächelte. »Sebi war bei uns, bevor er zur Fahndung gewechselt hat. Er ist verbissen.«
    Johanna holte tief Atem. »Verbohrt, verlogen, versessen hast du vergessen.«
    Grazia setzte sich auf. »Jetzt, wo du es sagst, fällt mir ein, dass er vielleicht auch arrogant ist.«
    Johanna hockte sich ebenfalls auf. »Angeberisch, abgestumpft und abgebrüht.«
    Einen Moment schauten sie sich an. Dann prusteten beide gleichzeitig los.
    Johanna legte sich lachend auf den Rücken. »Mein neuer Arbeitskollege ist eine verdammte Pfeife. Das ist die Wahrheit, nichts als die Wahrheit.«
    Grazia hob die rechte Hand, wie wenn sie einen imaginären Velofahrer stoppen wollte, der gerade den Berg hinaufstrampelte.
    »Stopp, di Napoli. Stopp, stopp, stopp! Unterschätz ihn nicht. Schürch ist ein hartnäckiger Spürhund.« Sie hielt einen Moment inne und blickte Johanna streng an. »Unterschätz überhaupt nie einen Mann. Das nehmen sie einem nämlich übel. Ganz furchtbar übel.«
    Johanna hatte Tränen in den Augen vor Lachen. »Also gut, Schürch ist ein verdammter Kotzbrocken. Aber ein wunderbarer Mann. Und ein großartiger Polizist. Wie er bei der Hausdurchsuchung gestern auf allen vieren durch die schicke Wohnung gekrochen ist! Das war wirklich beeindruckend. Ein echtes Naturtalent. Damit schreibt er Polizeigeschichte.«
    Sie wurde von einem Hustenanfall unterbrochen. Grazia klopfte ihr auf die Schultern. Es dauerte einen Moment, bis Johanna wieder zu Atem kam.
    Grazia erhob sich. »Alles, was Sie sagen, kann gegen Sie verwendet werden, Wachtmeister di Napoli.« Sie schnallte ihre Wasserflasche an den Gürtel. »Lass uns gehen. Sonst wird es dunkel, bevor wir unten sind.«
    Johanna erhob sich ächzend. »Ich dachte, wir bestellen uns ein Taxi?«
    Grazia war bereits im Wald verschwunden.
    26.
    Gemächlich steuerte sie den Jaguar in die Tiefgarage. Sie parkte neben der Tür zum Treppenhaus. Als sie ausstieg, sah sie ihre Silhouette im Autofenster. Es war ein Anblick, der manchen erfolgreichen Geschäftsabschluss begünstigen würde. Heute allerdings nützte ihr Erscheinungsbild wenig. Trotzdem hatte sie das Beste aus ihrem Äußeren herausgeholt. So fühlte sie sich wohl.
    Der Fahrstuhl brachte sie in die Lobby des Hotel Marriot. Wo genau er sie erwartete, wusste sie nicht. Er machte es

Weitere Kostenlose Bücher