Die Stunde Der Toechter
Polizei? Nein. Das war ein Ablenkungsmanöver.«
»Du hast gewusst, dass der Kunde ein verdeckter Ermittler ist?«
Er schaute sie mitleidig an. »Johanna, für wen hältst du mich? Glaubst du, ich wäre in diesem Geschäft reich geworden, wenn ich jedem V-Mann auf den Leim ginge?« Er drückte einige Knöpfe auf dem Armaturenbrett. »Hör zu, ich gebe dir einen Tipp. Du kannst es in deinen Rapport schreiben. Sammler sind Spinner. Die haben einen Tick. Sie sind stinkreich und finden es langweilig, legal Geld auszugeben. Sie kriegen keinen mehr hoch und brauchen einen anderen Kick. Sie sind besessen von irgendeinem Volk, das es seit Jahrtausenden nicht mehr gibt. Was auch immer. Jedenfalls sind es extreme Persönlichkeiten, die extreme Dinge tun.« Mittlerweile hantierte Stämpfli mit den Hebeln am Steuerrad. Der Scheibenwischer setzte ein. Er schaltete ihn wieder aus. »Euer Mann hat sein Rolle gut gespielt. Das muss ich zugeben. Seine Legende war einwandfrei.« Er zwinkerte Johanna zu. »Ihr müsst ihn nicht entlassen. Er hat nichts falsch gemacht. Aber er ist eben ein anständiger Mensch. Ob einer ein Wohltäter ist oder ein Schlächter, spüre ich. Weißt du, was ich meine?«
Johanna ließ ihn reden.
»Ich bin misstrauisch geworden. Also hat Werner Hügli eine Keuschheitsprobe organisiert. Mit minderjährigen Mädchen. Mit sehr, sehr jungen. Hügli ist der Schweineigel von uns beiden.«
Johanna fühlte, wie sich ihr Magen regte.
Stämpfli gluckste trocken. »Dabei hat euer Mann nicht mitgemacht. Er hat sich herausgeredet. Das ist das Dilemma eines verdeckten Ermittlers. Er darf den bösen Buben nur spielen.« Er lächelte selbstvergessen und fingerte weiter an den Hebeln und Schaltern seines Autos herum. »Von dem Augenblick an, haben wir den Kontakt nur noch zum Schein aufrechterhalten.«
Johanna presste die Zähne zusammen und unterdrückte die aufkommende Wut. Sie versuchte, nicht an Hüglis Mädchen zu denken. »Was suchst du eigentlich?«
»Den Tempomat. Damit müsste ich mich weniger ums Fahren kümmern und könnte endlich auf den Punkt kommen.«
Johanna schaute das Armaturenbrett an. »Versuch mal den da.« Sie zeigte auf einen Knopf.
»Tatsächlich. Aus dir ist was geworden, Kind.« Stämpfli stellte Tempo hundertzwanzig ein. »So, jetzt also zum Geschäft.« Er machte eine kurze Pause und achtete auf den Verkehr. »Ich habe drei Dossiers mit Unterlagen zusammengestellt. Wenn du eines davon zu sehen bekommst, bin ich tot.«
Johanna bereute, dass sie kein Aufnahmegerät dabeihatte. Es musste alles so schnell gehen. Er hatte ihr keine Zeit gelassen, sich vorzubereiten.
»Zwei der drei Dokumente schützen mich vor den Russen. Wenn ich umgebracht werde, bedeutet dies, dass Werner Hügli diese Unterlagen bereits gefunden und verkauft hat. Das dritte Dossier ist meine Rache an Hügli.« Bernhard Stämpfli lachte bitter. »Es geht um seine minderjährigen Huren. Er stattet sie mit falschen Papieren aus. Von A bis Z. Falsche Namen, falsche Nationalität, falsches Alter. Das geschieht im Ausland, verstehst du? In der Schweiz werden sie ganz normal auf dem Migrationsamt angemeldet. Und schon ist Daniela aus der Dominikanischen Republik plötzlich achtzehn statt vierzehn, heißt Maria und kommt aus Mexiko in die Schweiz, um Agronomie zu studieren.« Unvermittelt schlug er mit der flachen Hand auf das Steuer. »Ich habe die Adresse seiner beiden Fälscher. Aus der Zeit, als er mir noch vertraut hat und ab und zu etwas herumliegen ließ. Der eine ist Franzose, der andere Österreicher. Solche Leute findet man nicht einfach so. Wenn ihr die beiden aus dem Verkehr zieht, hat Werner ein Problem. Dann müsst ihr ihn überwachen und zuschauen, wie er es löst.« Er blickte Johanna triumphierend an. »Diese Unterlagen kriegst du, wenn mir etwas zustößt.«
Fluchend trat er auf die Bremse, als vor ihnen ein Bremslicht aufleuchtete. Mittlerweile war es dunkel.
»Wo sind wir eigentlich?« Ein Schild zeigte die Ausfahrt Neuenhof an. »Ich nehme die Abfahrt hier und fahre dann zurück.« Er blinkte und zweigte rechts ab.
Bis sie auf der anderen Seite wieder auf die Autobahn gefahren waren, blieb er still.
»Nun zu den anderen beiden Dossiers. Wenn mir etwas zustößt, wurden mir diese entwendet. In diesem Fall kriegst du eine Kopie. Damit kannst du zwar niemanden verhaften. Aber sie werden dir bei den weiteren Ermittlungen helfen.«
Johanna nickte und schwieg.
»Das erste Dossier bringt Bogdanows Hintermänner
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