Die Stunde Der Toechter
einer Tankstelle auf.
»Lass mich hier raus!«
»Johanna, bleib vernünftig! Wir sind gleich in Zürich.«
Sie zog ihre Waffe und hielt sie ihm an den Kopf. »Lass mich hier raus!«
Stämpfli bremste und erwischte die Ausfahrt im letzten Moment. Hinter ihm hupte es. Mit größter Mühe brachte er den Wagen kurz vor den Zapfsäulen zum Stehen. Johanna steckte die Pistole weg. Sie stieg aus und schlug die Tür zu. An der Tankstelle standen Leute. Einige schauten herüber. Stämpfli wartete noch einen Moment. Dann fuhr er weiter.
Johanna zündete sich eine Zigarette an. Anschließend ging sie ein paar Schritte um die parkenden Autos herum, bis sie sich halbwegs beruhigt hatte. Auf der Zigarette kauend wischte sie die Tränen weg und überlegte, was sie tun sollte. Sie schaute die tankenden Autos an. Autostopp hatte sie als Teenager zum letzten Mal gemacht.
Ein Wagen hielt neben ihr. Ein Audi. Die Scheibe wurde heruntergelassen und der Fahrer beugte sich zu ihr herüber.
»Was kostest du, Schätzchen?«
Johanna überlegte einen kurzen Moment. Dann stieg sie ein. »Wenn du mich nach Zürich bringst, lasse ich dich am Leben.«
38.
Ein livrierter Portier trug ihr Köfferchen hinter ihr her. Ein anderer öffnete das Hotelportal. Draußen wartete eine schwarze Limousine. Vor der Hintertür stand ein Chauffeur in Uniform. Wegen der getönten Scheiben sah sie nicht, ob jemand im Wagen saß. Mit einer Verbeugung öffnete der Mann. Die Tür schien unglaublich langsam aufzugehen. Ihr Herz pochte. Sie blickte in den Himmel. Er war grau und hässlich. Danach betrachtete sie die Welt um sich herum. Sie nahm ihren üblichen Lauf. Luxusautos standen vor einem Luxushotel. Luxusmenschen gingen hinein und kamen heraus. Für einige Sekunden schloss sie die Augen. Dann stieg sie ein.
Der Wagen war leer und geräumig. Aus unsichtbaren Lautsprechern säuselte leichte Klassik. Sie holte den Schminkspiegel aus der Handtasche. Ihr Gesicht war in Ordnung. Nachdem sie ihre Kosmetikutensilien wieder versorgt hatte, lehnte sie sich in das Sitzpolster und wartete. Kurz darauf stieg der Fahrer ein. Wortlos startete er den Motor. Die ersten paar Minuten achtete sie auf die Gegend. Danach fixierte sie die Autodecke und konzentrierte sich auf die kommende Verhandlung.
Nach gut zwei Stunden fuhren sie durch ein großes Tor. Kies knirschte unter den Rädern. Bedächtig rollten sie durch ein Wäldchen, dann an einem See vorbei auf ein Schloss zu. Es war aus hellbraunem Backstein gebaut. Über eine Zugbrücke kamen sie in den Hof. Er war groß und hell. In der Mitte befand sich ein Teich.
Der Chauffeur stoppte und stieg aus. Kurz darauf öffnete er die Tür. Aus dem Schloss kam ihr ein Butler entgegen. Er grüßte in makellosem Französisch und begleitete sie zum Eingang. Bevor sie eintraten, hörte Salome Hügli die Autotür zuknallen. Enten schnatterten. Sie folgte dem Butler in die Eingangshalle. Die Wände bedeckte eine Ahnengalerie. Dunkle Farben und schwere Bilderrahmen. Von da aus gingen sie in eine Bibliothek. Bücher füllten die Regale vom Boden bis unter die Decke. In dem Raum standen schwere Sessel und kupferfarbene Leuchten.
Der Butler bat sie zu warten und verschwand. Sie sah sich um. Ihr Instinkt sagte ihr, dass sie überwacht wurde. Die Kameras konnten an jedem beliebigen Ort versteckt sein. Zwischen den Büchern, in den Lampen. Als der Diener zurückkam, hielt er ein längliches Gerät in den Händen. Höflich entschuldigte er sich, bevor er mit dem Metalldetektor ihren Körper untersuchte. Nach dem Prozedere durchquerten sie den Lesesaal und kamen am anderen Ende in einen Salon. Der Butler führte sie zu einem Diwan. Von dort aus hatte man den Überblick über den Park. Salome Hügli setzte sich. Kurz darauf wurden Tee und Gebäck serviert. Tatsächlich hatte sie Hunger. Sie bediente sich und wartete.
Nach einer Weile war es ihr, als hörte sie in einiger Entfernung einen Helikopter landen. Einige Minuten später fuhren zwei große Geländewagen in den Hof. Gespannt stand sie auf und strich ihren Rock glatt. Sie hörte Stimmen. Dann schnelle Schritte näher kommen.
Erwartet hatte sie einen eleganten Herrn in Nadelstreifen. Den Raum betrat ein breitschultriger Typ um die dreißig. In schwarzer Lederjacke, Jeans und Sportschuhen. Er kam rasch näher, ging aber grußlos an ihr vorüber bis zu dem Tisch mit den Süßigkeiten. Er nahm sich eine Handvoll davon. Während er einen Keks nach dem anderen in den Mund stopfte, musterte
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