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Die Stunde Der Toechter

Titel: Die Stunde Der Toechter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Herzig
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er Salome Hügli von unten bis oben. Und zurück. Sein Blick war scharf wie ein Skalpell. Das Haar militärisch kurz geschnitten.
    »Ihr Mut wird durch ihre Schönheit noch übertroffen.« Er schluckte den letzten Rest Gebäck hinunter und rieb sich die Hände an den Hosen sauber. Danach reichte er ihr die Hand. Fester Händedruck, starker Akzent. »Ich bin der Mann fürs Grobe.« Er machte eine tiefe Verbeugung. »Was das Grobe anbelangt, habe ich mich in Ihnen allerdings gründlich geirrt.«
    Aus der Bibliothek hörte sie Geräusche. Wahrscheinlich wurde ihr Gepäck auf Wanzen und Waffen untersucht.
    Kühl und ruhig zu bleiben, schien Salome Hügli die beste Strategie zu sein, solange sie ihr Gegenüber nicht besser einschätzen konnte. »Ich bin Ihnen dankbar für Ihre Aufmerksamkeit. Und für Ihre Zeit.«
    Abermals verbeugte sich der Russe theatralisch. »Es ist mir eine Ehre.«
    Es war ihr, als horche er, ob der Lesesaal parat war. Dort war es nun still.
    Unvermittelt wurde er ernst. »Zeit ist das Stichwort. Sind Sie einverstanden, wenn wir zum Geschäft kommen? Nach allem, was ich höre, bevorzugen Sie den direkten Weg zum Ziel. Eine kluge Einstellung. Eine, die wir teilen.« Mit dem Kopf deutet er zur Bibliothek.
    »Wenn Sie wollen. Ich bin bereit.« Salome Hügli ging voraus. Im Gehen fragte sie sich, welchen ihrer Körperteile er wohl begutachtete.
    Als sie den anderen Raum betraten, berührte er ganz leicht ihre Schulter. Mit der Linken deutete er zur Mitte. Dort standen zwei Sessel. Darum herum hatte es viel Platz. Die Möbel waren verstellt worden.
    Sie setzten sich. Es war still. Trotzdem fühlte sie die Gegenwart von Menschen. Wahrscheinlich standen sie in der Eingangshalle neben der Tür zum Lesesaal.
    »Sie sind eine Kämpferin, mein Liebe. Das gefällt mir.« Er legte die Ellbogen auf die Lehnen und klappte die Knie auseinander. »Umso mehr, als sie aus einem Land stammen, das reich geworden ist, weil es nicht kämpft.« Er lächelte maliziös. »Ich bin im Krieg groß geworden und weiß mich durchzusetzen. Auf dem Schlachtfeld und am Markt.« Sein Blick wirkte beinahe verträumt. »Sie offerieren mir Alexanders Kopf anstelle von dem Ihres Vaters?«
    Genau das war sie am Tag zuvor mit dem Makler in Berlin durchgegangen. Sie hatte erst vor Ort begriffen, dass ihr Mittagessen Teil der Verhandlung war. Der Deutsche hatte sich als Vertrauter des Patriarchen zu erkennen gegeben. Salome Hügli hatte ihm ihren Vorschlag präsentiert. Er hatte entschieden, dass dieser einer persönlichen Diskussion mit dem Oberhaupt würdig war. Nun musste sie dieses noch vom gemeinsamen Nutzen des Geschäfts überzeugen.
    »Ich biete Ihnen Unterlagen an, die beweisen, dass Alexander Bogdanow Sie bestohlen hat. Außerdem übergebe ich Ihnen das Kunsthandelsgeschäft von Bernhard Stämpfli. In seinen Akten gibt es Informationen, die Ihrem Unternehmen immensen Schaden zufügen könnten.«
    »Was Sie nicht sagen!« Er klatschte die Hände zusammen. »Haben Sie dieses Material oder wissen Sie bloß davon?«
    Der Blick des Russen war nun weniger aufdringlich als zuvor. Trotzdem fühlte es sich an, als läge sie unter einem Mikroskop.
    Sie zögerte einen Moment. »Ich werde es beschaffen. Falls ich dies bis nächsten Mittwoch nicht zustande bringen sollte, gehört mein Vater Ihnen.«
    Ihr Gegenüber schmunzelte. »Nur sein Kopf, meine Teure, nur sein Kopf.« Den seinen stützte er auf den Händen ab. So saß er eine Weile da. Alsdann blickte er sie wieder an. »Sie schlagen sich ausgezeichnet! Ich hoffe, Ihr Vater weiß dies zu schätzen. Er hat nicht im Geringsten Ihre Klasse.«
    »Mein Vater ist mein Vater.« Das rutschte ihr heraus. Mehr wusste sie dazu nicht zu sagen.
    Amüsiert legte er die Hände auf die Sitzlehnen. »Bei manchem Papa sagt sich das einfacher, als damit zu leben ist.« Er wurde wieder ernst. »In mir wächst die Einsicht, dass wir uns verbünden statt bekriegen sollten, Frau Hügli. Haben Sie diese Möglichkeit ebenfalls in Erwägung gezogen?«
    Salome Hügli schlug ein Bein über das andere. »Wir sind eine unabhängige Unternehmung. Das möchten wir bleiben.« Sie schaute ihn an.
    Ohne ersichtliche Gefühlsregung deutete er ihr fortzufahren.
    »Strategische Partnerschaften schließe ich keineswegs aus. Wir sind lokal verankert, Sie international. Außerdem sind wir in ähnlichen Geschäften tätig. Aber nicht in identischen. Das könnte profitable Kooperationen ermöglichen.«
    »Gut gebrüllt, Löwin.«

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