Die Stunde Der Toechter
Es gab sowieso nicht viel Neues. Die Kantonspolizei kämpfte sich durch die bei Bogdanow konfiszierten Akten und Computer. Bis jetzt hatte sie noch nichts gefunden. Niemand erwartete, dass Bogdanow kompromittierende Unterlagen zurückgelassen hatte. Trotzdem musste die Arbeit gemacht werden.
Die Personenfahndung hatte bisher genauso wenig erreicht. Die Kantonspolizei klapperte sämtliche Spitäler und Ärzte nach der Spur des Kroaten ab. Da Johanna ihn angeschossen hatte, musste er sich irgendwo behandeln lassen. Doch allein diese Suche dauerte Tage.
Hinzu kam eine auffällige Häufung von Einbrüchen. Das wiederum absorbierte ebenfalls viel Personal. In keinem der Fälle war etwas gestohlen worden. Jedenfalls nichts, was jemand anzeigen würde.
Erwin Müller allerdings hatte das Muster schnell erkannt. Es waren Gebäude, welche in irgendeiner Weise mit Stämpfli zu tun hatten. Offensichtlich war Hügli auf der Suche nach den Unterlagen, die Bernhard erwähnt hatte. Hügli selbst wurde bei keinem dieser Einbrüche beobachtet. Er war das ganze Wochenende beschattet worden.
Johanna hatte ihr samstägliches Treffen mit Stämpfli rapportiert. Lediglich Tamaras Verwicklung in die Geschäfte ihres Vaters hatte sie weggelassen.
Anschließend hatte sie zusammen mit Müller eine Liste aller bekannten Orte zusammengestellt, die sie Hügli oder Stämpfli zuordnen konnten. Daraufhin hatten sie jene Adressen aussortiert, die von Hüglis Leuten noch nicht durchsucht worden waren. Viele blieben nicht übrig. Nach der Besprechung sollte Aeschbacher die Überwachung dieser Orte anordnen. Johanna hatte Claudia Eschers Wohnung mit auf die Liste gesetzt.
Als Letztes kam die Information, dass Salome Hügli am Samstag zuerst nach Berlin und von da weiter nach St. Petersburg geflogen war.
»Das war’s.« Kevin legte die Hände auf den Tisch. »Der Kampf zwischen Bogdanow, Hügli und Stämpfli ist in der heißen Phase. Nur dass es mittlerweile drei Fronten sind, nicht nur zwei. So wie es aussieht, versucht Hügli seinen alten Freund ans Messer zu liefern und dafür sich selbst zu retten. Sehen das alle so?«
Niemand widersprach.
»Das Ärgerliche ist, dass wir immer einen Schritt hinterherhinken. Das Aufräumen der Scherben bindet so viel Personal, dass wir kaum dazu kommen, nach vorne zu denken. Wenn jemand eine gute Idee hat, wie wir aus diesem Dilemma herauskommen, steht meine Tür Tag und Nacht offen.« Er wartete einen Moment, ob sich jemand meldete. Dann stand er auf und schloss die Sitzung.
Aeschbacher deutete Johanna, ihm zu folgen. Sie verließen das Haus und gingen zwei Eingänge weiter vorn wieder hinein. Er schloss seine Bürotür. Dann setzten sie sich.
»Es ist wegen der Untersuchung, Jo. Du wirst von drei Leuten befragt. Graber, Anna von der Staatsanwaltschaft. Weil du eine Frau bist, muss mindestens eine Beamtin dabei sein. Sie ist in Ordnung. Mach aber keine Emanzensprüche! Darauf reagiert sie allergisch. Du weißt schon, Frauen sollten nichts geschenkt bekommen.«
Johanna nickt. »Finde ich auch.«
Aeschbacher kratzte sich am Bart. »Das weiß ich, Jo. Aber vergiss nicht, dass du eine Quotenfrau bist. Auf Frauenförderungsprogramme hat hier niemand gewartet.« Er hielt einen Moment inne. »Die Untersuchung leitet Schneeberger, Max. Er ist ein Militärkopf. Ein bisschen wie Charlie Brunner. Dem darfst du nicht frech kommen. Aber auf vernünftige Argumente hört er. Klar?«
Sie nickte.
»Der zugeordnete Offizier der Kantonspolizei ist Fédier.«
»Verdammt! Der hat mir gerade noch gefehlt.«
Aeschbacher schmunzelte. »Mit dem hattest du Ärger. Ich kann mich erinnern. Du hast ihn in die Eier geklemmt.« Er grinste. »Das mögen die wenigsten Männer, Jo. Und ein Formalist wie er kann es erst recht nicht ausstehen, wenn sein Dienstgrad nicht respektiert wird.«
»Ich werde ihm trotzdem nicht in den Arsch kriechen. Das kannst du vergessen, Hans. Nicht Fédier!«
Aeschbacher hob die Hände in die Höhe, als flehe er den Gott der Arschlecker an, dass er Johanna bekehren möge. »Halt dich einfach zurück. Sag lieber nichts als das Falsche. Versprochen?«
»Versprochen.«
Er stand auf. »Jetzt muss ich die Überwachungen organisieren. Das darf nicht liegen bleiben.« Er öffnete die Tür.
»Dank dir, Hans.«
Sie gaben sich die Hand.
Johanna ging in den Gebäudetrakt der Stadtpolizei zurück und begann mit dem ersten Bericht. Konzentriert arbeitete sie zwei Stunden, bis sie einen vorzeigbaren Entwurf
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