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Die Stunde Der Toechter

Titel: Die Stunde Der Toechter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Herzig
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hatte. Nach einer Kaffeepause las sie das Geschriebene nochmals durch. Es war brauchbar. Sie schickte den Text Charlie Brunner.
    Danach ging sie aus dem Haus. In der Nähe der Kripo gab es einen Türken. Unterwegs kam sie an vier Coiffeursalons vorbei. Auf maximal zweihundert Metern. Die meisten Geschäfte waren dunkel. Nur in einem der Salons saß ein alter Mann auf einem Friseursessel und starrte in einen kleinen Fernseher.
    Beim Türken bestellte sie einen Kebab. Sie versuchte gerade, das Essen nicht auf ihrer Hose zu verteilen, als das Telefon klingelte. Hastig legte sie ihr Gericht beiseite und wischte sich ab. Dann nahm sie den Anruf an.
    Zuerst hörte sie nur ein Schluchzen am anderen Ende.
    »Hallo, wer ist da? Hallo?«
    »Johanna? Bist du’s?« Es war Claudia Escher.
    Ein Stich bohrte sich in Johannas Herz. »Was ist passiert, Claudia?«
    Wieder nur Schluchzen.
    Eigentlich war die Antwort auch so klar. Trotzdem fragte sie nach. »Claudia? Sag was, verdammt!«
    »Tamara ist entführt worden!«
    Johanna sprang auf. Aus der Hosentasche klaubte sie eine Zehnernote. Atemlos knallte sie das Geld auf den Tisch. Bevor sie auflegte, fragte sie Claudia Escher, wo sie sich aufhielt. Anschließend rannte sie auf die Straße hinaus. Schon wieder musste sie jemanden im Spital besuchen.
    43.
    Ihr Sohn stand am Fenster. Umgeben von anderen Kindern aus der Siedlung. Sie lärmten, so laut sie konnten. Winkend ging sie um die Hausecke.
    Als die Kinderkrippe außer Sichtweite lag, beschleunigte sie ihren Schritt. Bevor sie an die Uni ging, musste sie das Abendessen einkaufen. Kochen für Gäste. Dienstags eigentlich die Aufgabe ihres Partners. Dieser allerdings hatte an diesem Abend eine Sitzung, die länger dauerte. Das war nichts Außergewöhnliches. Sie hatten beide ein strenges Programm.
    Also musste etwas auf den Tisch, was schnell ging und sich trotzdem sehen lassen konnte. Roher Lachs mit Kartoffelsuppe kam immer gut an. Der Fisch wirkte edel, die Suppe bodenständig. Im Bioladen würde dies freilich ein Vermögen kosten. Doch es war den Aufwand wert. Sie hatten ein befreundetes Paar eingeladen, das sein erstes Kind erwartete. Gemeinsam wollten sie ein Haus im Tessin kaufen. Eines aus der Erbmasse ihres Großvaters. Weit hinten im Verzascatal. Zum Baden, Wandern, Lesen ein Traum. Allerdings musste es instand gesetzt werden. Damit kannten weder sie noch ihr Mann sich aus. Also brauchten sie Partner. Dazu waren die anderen beiden die perfekte Ergänzung. Er Ingenieur, sie Architektin. Idealer ging es nicht.
    Als Judith Stämpfli die Lorrainestrasse einbog, hielt an der gegenüberliegenden Haltestelle der Bus vom Bahnhof her. Verschiedene Leute stiegen aus. Darunter eine Frau, der man ansah, dass sie nicht von hier war. Eine elegante Erscheinung.
    Das musste ihre Verabredung sein. Mitarbeiterin einer internationalen Organisation, die verschollene Kunstwerke wiederbeschaffte. Die Dame hatte am Abend zuvor angerufen. Die Nummer hatte sie von Judiths Vater erhalten. Es ging um das Familienarchiv. Die Frau hatte auf einen schnellen Termin gedrängt. Offenbar suchte sie sehr seltene Antiquitäten. Was allerdings das Archiv eines Käsehändlers damit zu schaffen hatte, konnte Judith sich schwer vorstellen.
    Trotzdem hatte sie mit der Frau ein Treffen vereinbart. Ein bisschen Neugier war dabei. An der zur Diskussion stehenden Kunst. Aber auch Interesse an einem Job in dieser Organisation. Immerhin hatte sie im Nebenfach Kunstgeschichte studiert.
    Judith wartete an der Kreuzung. Als die Ampel auf Grün schaltete, überquerte die Frau die Straße. Zusammen mit anderen Leuten aus dem Bus. Die meisten kannte sie. Einige grüßten. Ein Rockmusiker lächelte. Kurz und intensiv. Immer noch.
    Sie ging auf die Dame im dunkelblauen Hosenanzug zu. »Frau Davies?«
    Die andere nickte erleichtert. »Das ist sehr nett von Ihnen, dass Sie auf mich warten, Frau Stämpfli.« Sie reichte ihr die Hand. »Ihre Wegbeschreibung war sehr hilfreich. Vom Bahnhof aus war ich schnell hier.«
    Zusammen gingen sie in ein Café. Die Anwesenden musterten ihre Begleiterin. Sie setzten sich an einen Tisch im hinteren Raum. Die Frau öffnete ihre Handtasche. Ihr Kostüm war elegant, aber nicht übertrieben. Die Schminke zurückhaltend.
    »Ich bin Ihnen wirklich außerordentlich dankbar, dass Sie so schnell Zeit gefunden haben, Frau Stämpfli.« Über den Tisch reichte sie ihr eine Visitenkarte.
    Anne-Nicole Davies, Lost Art Recovery,
Boulevard des Philosophes,

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