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Die Stunde Der Toechter

Titel: Die Stunde Der Toechter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Herzig
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geizig wäre.«
    Johanna klopfte auf den Tisch. »Was ist es dann? Abenteuerlust? Langeweile? Trotz?«
    Tamaras Mutter zuckte mit den Schultern. »Weil ihre Mutter Alkoholikerin ist, ihr Vater ein Gangster, würde ein moralistischer Spießer sagen. Jemand anders meint vielleicht, dass sie eine rastlose Seele hat. Ich denke, dass sie ein erwachsener Mensch ist und ihr Schicksal in den eigenen Händen hält. Das respektiere ich. Was auch immer passieren wird.«
    Johanna schaute die Umgebung an. Die Grillpartys waren in vollem Gang. In einem Garten gegenüber zählte sie zwölf Personen. Und ebenso viele Sonnenbrillen. Nur die Frauen hatten Haare auf dem Kopf. Eine trug ein elegantes rotes Sommerkleid. Ansonsten dominierten Shorts, Shirts und Tattoos. Der Grill rauchte fürchterlich. Man konnte den Brennspiritus von Weitem riechen. Auf einem Balkon darüber saßen zwei ältere Damen in einem Wald von Lampions und Fackeln. Sie hatten ihr Feuer im Griff. Johanna bildete sich ein, die Steaks brutzeln zu hören.
    »Weißt du, was am Freitag passiert ist? In Bernhards Büro?«
    Claudia Escher schreckte aus ihren Gedanken auf. Sie nickte. »Tamara hat es mir erzählt. Sie hat dort Stoff deponiert und wollte etwas davon holen. Auf einmal wurde in die Wohnung eingebrochen. Sie hat sich in der Dusche versteckt.«
    Johanna schaute kritisch. »Und keiner hat ins Bad geguckt?«
    »Doch, stell dir vor. Sie haben Tamara gesehen. Aber die Schurken sind offenbar selbst erschrocken. Jedenfalls sind sie verschwunden.« Sie hielt einen Moment inne. »Kannst du dir das vorstellen, Johanna? Jahrelang hast du panische Angst, dass dich jemand verfolgt oder in deine Wohnung einbricht. Völlig unbegründet und aus dem nichts heraus packt dich dieses Entsetzen. Immer wieder. Und dann werden alle deine Albträume plötzlich wahr. So ist es Tamara ergangen.«
    Johanna überlegte einen Moment. »Es müssen Hüglis Leute gewesen sein. Die Russen hätten Tam kaum am Leben gelassen.«
    Entsetzt riss Tamaras Mutter die Augen auf.
    »Verstehst du nun endlich, Claudia? In der Scheiße, die Bernhard aufgerührt hat, kann man ersaufen.« Ruckartig stand sie auf. »Hast du keinen Grill? Ich muss etwas tun.«
    40.
    In seiner ganzen Pracht stand Charlie Brunner in der Tür. Braun gebrannt von der Glatze bis in die Fingerspitzen. In den Ferien hatte er seinen Schnauz zu einem Bart ausgebaut. Trotz der Hitze trug er Anzug und Krawatte. Er machte ein Gesicht, als hätte er soeben die Kreditkartenabrechnung seines Sohnes erhalten.
    »Zu mir, Jo!« Er wandte sich um und ging voraus.
    Köbi Fuhrer verdrehte die Augen.
    Johanna di Napoli stand auf und folgte ihrem Chef. Als sie in das Büro trat, schloss sie die Tür hinter sich. Er hatte sich bereits gesetzt. Vor ihm auf dem Tisch lagen verschiedene Papierstapel. Johanna blieb stehen.
    »Setz dich!«
    »Es geht schon, danke.«
    In seinem Blick fuhr eine Panzerdivision der Schweizer Armee in Gefechtsstellung. Hinter seinem Rücken hing ein Bajonett an der Wand. Daneben ein Foto aus dem Militärdienst.
    Johanna setzte sich.
    »Was soll der Scheißdreck, Jo?«
    Sie machte den Rücken gerade und legte die Hände auf die Oberschenkel. »Von Kranach hat mich von sich aus angefragt. Ich dachte, das sei in Ordnung. Immerhin ist er Offizier.«
    Charlie schüttelte den Kopf. »Dazu kommen wir später. Wo zum Teufel ist Hanspeters Hunter? «
    Das Bild hatte sie vollkommen vergessen. »Im Postbüro.«
    Er sprang auf und stürmte aus dem Raum.
    Sie hörte eine Tür knallen.
    Kurz darauf kam er mit dem Foto in der Hand zurück. Das Matterhorn war noch da, das Flugzeug ebenfalls. Er stellte das Bild an die Wand unter das Bajonett und setzte sich wieder.
    »Das hier ist eine Polizeiwache. Nicht das Sozialamt.«
    Johanna gab sich Mühe, ernst zu bleiben. »Ist das wirklich so ein Drama? Ein bisschen frischer Wind tut diesen verstaubten Räumen gut.«
    Mit der Faust schlug er auf den Tisch. Dann deutete er auf den Hunter. »Das ist Trübs Sohn da in der Kiste. Der größte Erfolg in Hanspeters Leben. Er hat der Schweizer Armee einen Piloten geschenkt! Das ist ihm wichtiger als sein Reihenhäuschen in der Einflugschneise. Und du hängst ihm drei Monate vor seiner Pensionierung so einen Helgen vor die Nase? Du hättest wenigstens etwas von Albert Anker nehmen können!«
    Johanna konnte ihr Lachen kaum mehr zurückhalten. »Wenn so ein Bild die Polizei in ihren Grundfesten erschüttert, schaffe ich es zurück in den städtischen

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