Die Stunde Der Toechter
hier.«
Auf der anderen Seite war es einen Moment still. Dann hörte sie undefinierbare Geräusche. Und Fluchen.
»Köbi? Hallo?«
»Ich bin noch da. Habe meine Hosen angezogen. Dabei ist mir der Hörer heruntergefallen. Wo bist du?« Er hustete.
»Im Sexy Dream. Weißt du, wo das ist? In Aarau West gehst du von der Autobahn und fährst zurück in Richtung Zürich. Es ist rot beleuchtet.«
»Warte auf mich! Ich komme.«
Er hatte aufgelegt.
Das Gespräch hatte sie nicht beruhigt. Ihr Herz raste. Wenn sie an das Gesicht des Mannes in Loge sieben dachte, wurde ihr schwindlig.
Die Ukrainerin auf dem Sofa sah sie mit großen Augen an. »Mann ist böse?«
Lulu stand wieder auf. »Ja, Mädchen, böse. Du bleibst hier drin und sagst niemandem ein Sterbenswort, verstanden?«
Sie wartete die Antwort nicht ab und ging an die Bar. Dort stürzte sie einen Wodka hinunter. Alsdann schaute sie sich nach einem Mädchen um, auf das sie sich verlassen konnte. Jackie stand an der Theke herum. Auf der Bühne tanzte nun eine Brünette. Sie winkte die Schwarze zu sich.
»Du musst mir einen Gefallen tun, Jackie. In Box Nummer sieben ist ein Mann. Der muss eine Weile hierbleiben. Geh zu ihm und verwöhne ihn.« Jackie nickte und ging lässig auf die Separees zu.
Lulu eilte zurück ins Büro. Die Ukrainerin war verschwunden. Sie holte ihre Pillen hervor. Ohne Wasser schluckte sie eine davon hinunter. Eigentlich bräuchte sie welche zur Beruhigung. Aber die Schlaftabletten in ihrer Handtasche waren zu stark. Sie schaute auf die Uhr. Zehn Minuten waren vergangen seit ihrem Telefongespräch mit Köbi. Nervös setzte sie sich auf das Sofa. Hoffentlich hatte der Typ sie nicht erkannt. Ihr Herz machte einen Sprung bei dem Gedanken. Unruhig stand sie auf und schloss die Tür zur Bar. Danach setzte sie sich wieder. Ob sie vielleicht die Aargauer Polizei anrufen sollte? Die wären schneller hier als die Zürcher. Doch wahrscheinlich hatte Köbi das bereits erledigt.
Lulu stand wieder auf. Sie musste Mario und die Türsteher informieren. Die hatte sie völlig vergessen. Sie ging zur Tür. Es würde Probleme geben. Sie fühlte es.
Als sie die Türklinke herunterdrückte, kamen ihr die Schlaftabletten in ihrer Handtasche in den Sinn.
Einen Moment lang überlegte sie. Dann fasste sie einen Entschluss.
Besser etwas wagen, als vor lauter Warten zu verzweifeln.
53.
Aus der Ferne konnte Johanna di Napoli eine Ambulanz erkennen. Und mehrere Einsatzwagen der Aargauer Kantonspolizei. Köbi hatte nicht auf sie warten wollen. Als er angerufen hatte, war er bereits über die Autobahn gerast. Also hatte sie einige herumliegende Klamotten angezogen und war zu ihrem eigenen Auto gerannt. Bevor sie am Donnerstagnachmittag nach Burgdorf gefahren war, hatte sie es in Oerlikon abgeholt. Auf dem Parkplatz vor Hüglis Haus. Das ganze Areal war abgesperrt worden. Bislang hatte sie nicht erfahren, welche Schlüsse die Spurensicherung gezogen hatte. Seit Mittwochnacht hielt von Kranach Distanz.
Am Donnerstagabend war sie mit Sebastian Schürch aus Burgdorf zurückgekommen. Johanna setzte ihn vor seinem Haus ab. Es war schmuck. Ein Jugendstilbau. Von Büschen und Bäumen umgeben. Auf der Fahrt hatten sie nicht viel gesprochen. Im Wesentlichen hatte er ihr eine detaillierte Beschreibung seiner Durchsuchung des Familienarchivs der Stämpflis gegeben. Nachdem Johanna mit Marianne hinausgegangen war, hatte Schürch nicht nur den Tresor, sondern das komplette Zimmer gründlich gefilzt. Ohne greifbares Resultat. Korrekt, wie er war, bot er Johanna an, den Bericht zu schreiben. Dieses Angebot nahm sie dankend an, bevor sie sich verabschiedeten.
Zu Hause wartete sie vergeblich auf einen Telefonanruf von Lukas Imboden. Er durchstreifte mit seinen Leuten Hüglis Etablissements. Auf der Suche nach den beiden Mädchen, in deren Begleitung sich Hügli befunden hatte.
Irgendwann schaltete Johanna ihr Handy aus und fiel erschöpft ins Bett. Die schlaflose Nacht vom Mittwoch forderte ihren Tribut.
Eines der beiden Mädchen fand Imboden tatsächlich. Johanna identifizierte sie am anderen Morgen. Die Befragung musste sie den Kollegen überlassen. Derweilen erledigte sie den Papierkrieg für Charlie Brunner. Schlag zwölf Uhr erhielt der Chef die gewünschten Dokumente. Anschließend ging sie mit Köbi essen. Am Nachmittag schrieb sie den Bericht über ihren Alleingang in Hüglis Haus.
Sobald sie damit fertig war, schickte sie ihn Aeschbacher und von Kranach zur Kontrolle.
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