Die Stunde Der Vampire
beinahe zu Tode. Ich hatte das Ding in meine Jeanstasche gesteckt und es dann vergessen.
Ich ging ran.
»Kitty?«
»Ben? Wo sind Sie?«
»Ich bin im Hotel. Wo sind Sie?« Der Anwalt war mit einem Nachtflug am Morgen in der Stadt angekommen. Wir hatten Zimmer im selben Hotel reserviert gehabt â dem Hotel, in dem ich gestern nicht abgestiegen war.
»Das ist eine lange Geschichte. Wir sollten uns treffen.«
»Ich esse spät auf meinem Zimmer zu Mittag. Können Sie herkommen? Ich bestelle Ihnen ein Steak.«
»Blutig. Danke. Bis gleich.«
Nach dem stundenlangen Herumlaufen hatte ich das Gefühl, mich mittlerweile so gut auszukennen, dass ich in der Lage wäre, das Hotel alleine zu finden; ich freute mich riesig, als sich meine Annahme als richtig herausstellte.
Es zahlt sich immer aus, sämtliche Fluchtwege im Voraus ausfindig zu machen.
Das Hotel befand sich ein paar Blocks vom Kapitol entfernt, nur ein paar Gehminuten von dem Gebäudekomplex, in dem die Anhörung des Ausschusses stattfinden sollte. Ben hatte mir seine Zimmernummer genannt, also ging ich direkt nach oben und klopfte an die Tür. Er öffnete, ging zum Tisch zurück, auf dem ein Tablett des Zimmerservice stand, und setzte sich, um sein eigenes Steak aufzuessen.
»Ich schätze mal, das geht aufs Spesenkonto«, sagte ich und schloss die Tür hinter mir. Er lächelte nur.
Ben gab nicht viel auf Förmlichkeiten. Er trug ein Anzughemd, das jedoch nicht in die Hose gesteckt oder zugeknöpft war und den Blick auf sein weiÃes Unterhemd freigab. Er war zwischen dreiÃig und vierzig, hatte Ecken und Kanten und vielleicht schon einiges überstanden. Sein schmutzig-blondes Haar war zerzaust, der Haaransatz wich langsam zurück. Auf dem Bett lag eine offene Aktentasche, inmitten eines Durcheinanders aus Papieren und juristischen Veröffentlichungen. ÃuÃerlich machte er nicht viel her, doch er arbeitete hart.
»Guten Flug gehabt?«, fragte ich.
»Ja. GroÃartig. Sie sehen aus, als seien Sie durch die ganze Stadt getigert.«
Wahrscheinlich sah ich nicht allzu frisch aus. Meine blonden Haare klebten mir schweiÃnass im Gesicht. Der Sommer war schon vorbei, aber die Stadt erlebte einen milden Herbst. Klebrige Schwüle lieà die Luft feucht werden.
Ich hatte nicht den geringsten Gedanken an die Entfernungen verschwendet, die ich hatte zurücklegen müssen. Die meisten Touristen hätten es wahrscheinlich für wahnsinnig gehalten, so viel wie ich in so einen kurzen Zeitraum zu zwängen. Doch ich war noch nicht einmal müde. Das war einer der Vorteile des Werwolfdaseins. Ich konnte meilenweit laufen.
»Diese Stadt ist einfach unglaublich«, sagte ich. »Ich bin zum Air and Space Museum gelaufen, um mir den Wright Flyer anzusehen, zum Natural History Museum, wegen des
Hope Diamanten und der Dinosaurier, und zum American History Museum, um das Star Spangled Banner zu sehen. Sie haben dort auch Mr. Rogersâ Pullover, wussten Sie das? Jedenfalls einen, der Kerl muss im Laufe seiner Fernsehsendungen ja wohl mindestens hundert getragen haben. Das hier ist bestimmt die kulturell wertvollste Quadratmeile in den ganzen Vereinigten Staaten!« Ich hatte die Highlights in den groÃen Museen geschafft, indem ich einen Sprint hingelegt hatte. SchlieÃlich wusste ich nicht, wann sich mir im Laufe der Woche noch einmal die Gelegenheit zum Sightseeing bieten würde.
Er starrte mich an, ein spöttisches Grinsen im Gesicht.
»Was denn?«, fragte ich winselnd, ein wenig aus der Fassung gebracht.
»Ihnen sind tatsächlich die Tränen gekommen, als Sie das Star Spangled Banner gesehen haben, nicht wahr? Sind Sie schon auf dem Nationalfriedhof Arlington gewesen? Haben Sie Kennedys Grab besichtigt?«
Mir waren die Tränen gekommen. Zugeben würde ich es allerdings nicht. »Noch nicht. Das wollte ich morgen nach der Anhörung machen.«
»Das wird Ihnen den Rest geben, wetten? Nehmen Sie bloà Taschentücher mit.«
Ich zog einen Flunsch. »Sie müssen sich nicht über mich lustig machen.«
»Warum nicht? Sie sind eine empfindsame Seele. Das habe ich noch gar nicht gewusst.«
»Dann bin ich das eben. Na und? Und was sind dann Sie?«
»Anwalt.« Er musste noch nicht einmal darüber nachdenken. Nahtlos ging er zum Geschäftlichen über. »Sie wissen,
wer diesem Ausschuss vorsitzt, vor dem Sie
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