Die Stunde Der Vampire
schien eine Bedeutung aus der Alten Welt zu stecken: Es war mehr als eine Mahlzeit und ein Bett zum Schlafen. Es war ein Zeichen von Stolz und Ehre. Abzulehnen wäre eine Beleidigung.
»Danke«, sagte ich und gab mir Mühe, höflich zu sein, obgleich ich mir neben ihr geradezu verwildert vorkam.
Alette erhob sich. Automatisch stand ich ebenfalls auf, wobei ich mir die Jeans glattstrich und mich fragte, ob ich mir schönere Kleidung zulegen sollte, während ich hier war.
»Willkommen in Washington«, sagte sie und bot mir ihre Hand, die ich schüttelte; eine normale Geste, die ich dankbar annahm, selbst wenn ihre Haut eine Spur zu kalt war. »Ich habe ein Zimmer im ersten Stock für Sie herrichten lassen. Ich hoffe sehr, dass es Ihnen gefallen wird. Emma wird sie hinaufführen. Die Küche steht ebenfalls vollständig zu Ihrer Verfügung. Geben Sie Emma Bescheid, wenn Sie irgendetwas benötigen sollten, und sie wird sich darum kümmern.« Eine junge Frau, Emma, wie ich annahm, war erschienen, durch ein Zeichen herbeigerufen, das nur ihr und Alette vertraut war. Sie war ein ganz normaler Mensch, mit glänzenden Augen, voll Eifer. Und ob es sich um Gastfreundschaft à la Alte Welt handelte! Alette hatte Dienstmädchen ! »Ich muss Sie einzig und allein darum bitten, Kitty, dass Sie mir Bescheid geben, wenn Sie vorhaben, das Haus aus irgendeinem Grund zu verlassen.
Ich habe Ihnen meinen Schutz angeboten und werde zu diesem Angebot stehen.«
Das klang beinahe wie eine Herausforderung: Konnte ich ohne ihr Wissen von hier verschwinden? Was würde sie tun, wenn ich es versuchte?
Und was, wenn da drauÃen tatsächlich raubgierige Werwölfe darauf warteten, mich alleine zu erwischen? Es war eine schwere Entscheidung.
»Na schön«, sagte ich unverbindlich, und Alette bedachte mich mit einem skeptischen Blick.
»Wenn Sie mich jetzt entschuldigen wollen, ich habe noch zu tun. Ich wünsche Ihnen einen guten Abend.«
Sie lieà Emma und mich am Fuà einer schmalen Wendeltreppe vor dem Salon zurück.
»Hier entlang«, sagte Emma lächelnd und deutete nach oben.
Manchmal waren menschliche Diener Leute, die zu Vampiren ausgebildet werden sollten und die darauf warteten, dass ihre Gebieter sie in die Kreise der wahren Untoten aufnahmen. Manchmal waren es einfach nur Diener, auch wenn ihr Aufgabenfeld gewöhnlich ein wenig mehr als nur Staubwischen umfasste. Ich suchte ihren Hals mit den Augen nach verräterischen Narben, Zeichen alter Bissspuren ab. Entdecken konnte ich keine, doch das bedeutete nicht, dass sie nicht vorhanden waren, irgendwo.
Wir gelangten ans Ende der Treppe und betraten einen schmalen Flur. Weitere gerahmte Fotografien und Porträts zierten die Wände. Sie stellten andere Zeiten dar, andere Epochen; Haare, Kleidung und Auftreten der Leute wechselten von einem Porträt zum nächsten, während wir
weitergingen. War Alette etwa besessen davon, diese Bilder zu sammeln?
»Darf ich Ihnen eine Frage stellen?«
»Nur zu«, sagte Emma. Sie war wahrscheinlich etwa neunzehn Jahre alt. Verdammt, vielleicht war sie dabei, sich Geld für die Uni zu verdienen.
Ich musste einfach nachfragen. »Wissen Sie, was sie ist?«
Sie lächelte leicht ironisch und senkte den Blick. »Meine Familie arbeitet schon seit Generationen für sie. Wir sind ihr vor zweihundert Jahren von England hierher gefolgt. Sie ist gut zu uns.« Sie öffnete eine Tür am Ende des Korridors und sah mich dann an. »Nicht alle von ihnen sind böse, das wissen Sie besser als jeder andere.«
Dem lieà sich nicht widersprechen.
Meinen Seesack hatte man bereits in das Schlafzimmer gebracht. Zu der Suite gehörte auch ein richtiges Badezimmer mit Messingarmaturen am Waschbecken und in der Dusche. Eventuell war das Ganze keine so schlechte Idee. Vielleicht würde ich regelrecht verwöhnt werden. Emma zeigte mir eine Haussprechanlage neben der Tür, eine moderne Annehmlichkeit in dem altmodischen Haus. »Klingeln Sie einfach, wenn Sie etwas brauchen sollten.«
Ich bat um ein Sandwich. Dann Schlaf. Schlafen war gut. Schlafen bedeutete, dass ich mich nicht fragte, wo der Rest von Alettes Vampirclan sich herumtrieb, denn menschliche Lakaien konnten nicht alles erledigen, und ich war mir ziemlich sicher, dass sie nicht ganz alleine über ihr Reich herrschte.
Drei
Alette wollte, dass ich ihr Bescheid gab, sollte ich
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