Die Stunde Der Vampire
vorhaben, das Haus zu verlassen. Tja, natürlich hatte ich vor, das Haus zu verlassen. Doch als ich erwachte, war es schon heller Tag, was bedeutete, dass sie wahrscheinlich nicht ansprechbar war.
Also hinterlieà ich eine Nachricht. Ich kritzelte sie auf ein Blatt von einem Notizblock und legte es auf den Sofatisch im Salon.
Völlig aufrichtig war das nicht von mir. Tom und Bradley standen vermutlich auf Abruf bereit. Wahrscheinlich wollte Alette eigentlich, dass ich einen von ihnen informierte. Ich hätte eine private Stadtrundfahrt mit Chauffeur haben können â nett, beschützt, sicher.
Meine Hand lag bereits am Knauf der Eingangstür, als ich hinter mir Schritte die Treppe herunterkommen hörte.
»Miss Norville!« Es war Emma, das braune Haar zu einem schlampigen Knoten hochgesteckt, in Jeans und einem viel zu groÃen Sweatshirt. In den Klamotten sah sie jung aus. »Gehen Sie aus?«
Schuldbewusst wich ich einen Schritt von der Tür zurück. »Nennen Sie mich Kitty. Ich, ähm, wollte bloà rausgucken, um zu sehen, wie das Wetter so ist.« Das würde sie mir niemals abkaufen. Mein Rucksack hing mir über der Schulter. »Alette lässt Sie auch sonntags arbeiten, wie?«
»Oh nein! Sie lässt mich die Bibliothek im ersten Stock zum Lernen benutzen. Es ist der letzte Tag, an dem ich meine Hausaufgaben vor den Kursen morgen erledigen kann. Ich war bloà auf dem Weg in die Küche, um mir etwas zu essen zu holen.«
Wow, sie arbeitete tatsächlich, um sich ihr Studium zu finanzieren!
»Sie gehen auf die Georgetown?«
»George Washington«, sagte sie. Sie kam nicht weiter die Treppe herunter, sondern lehnte sich an das Geländer und lächelte hilfsbereit. »Haben Sie schon gefrühstückt? Möchten Sie, dass ich Ihnen etwas mache?«
»Nein, danke, ich brauche nichts.« Ich wollte los. Nichts für ungut. Ich wurde unruhig.
Die Verlegenheitspause dehnte sich weiter. Ich hielt niemanden zum Narren. Dabei hatte ich mir sogar eingeredet, wenn ich bloà meinen Wagen in der Einfahrt hinten geparkt lieÃe und mit öffentlichen Verkehrsmitteln fuhr, würden sie denken, dass ich ausschliefe oder etwas in der Richtung.
SchlieÃlich stieà sie ein Seufzen aus und sagte: »Ich kann Sie nicht am Gehen hindern. Aber Alette wird nicht sehr erfreut sein, wenn sie herausfindet, dass Sie alleine ausgegangen sind.«
Na, damit machte sie mir überhaupt kein schlechtes Gewissen! »Werden Sie Ãrger bekommen, wenn ich weglaufe?«
»Nein. Alette wird nicht wütend, nicht so. Aber sie wird enttäuscht sein.«
Und niemand enttäuschte Alette gern.
»Es ist nicht für lange. Ich will mich nur umsehen. Bevor sie abends aufwacht, bin ich längst wieder zurück.«
»Viel Spaë, sagte Emma. Die Worte klangen eher mechanisch denn ernst gemeint. Sie eilte um die Ecke und verschwand durch die Tür in die Küche im rückwärtigen Teil des Hauses.
Ich kam mir wie ein Schuft vor. Trotzdem verlieà ich das Haus.
Die berühmte Metro-U-Bahn von D.C. fuhr hier drauÃen nicht, aber ein Shuttlebus hielt zwischen Georgetown und den nächsten Metrostationen. Binnen einer halben Stunde befand ich mich mitten auf der Mall.
Dann gab ich mich voll und ganz und absolut unverfroren dem Touristendasein hin. Alles konnte ich mir an einem Tag nicht ansehen. Wahrscheinlich auch nicht im Lauf einer Woche, rechnete ich die Museen mit. Glücklicherweise gab es etliche Stadtrundfahrtanbieter, die mich mit Freuden mitnahmen und mir alles Wichtige vorbeteten. Die Busse hielten sogar vor so gut wie jedem Museum, zu dessen Besichtigung ich vielleicht Gelegenheit hätte. Ich sah das WeiÃe Haus!
Den ganzen Morgen und einen Teil des Nachmittags lief ich wie eine Verrückte durch die Gegend und sah mir die wichtigsten Sehenswürdigkeiten an. Währenddessen hielt ich die Augen offen, betrachtete forschend die Gesichter um mich herum. Doch es waren alles nur Touristen, mit groÃen Augen und gereizt. Darunter würden sich keine Lykanthropen finden lassen. Ich konnte ohnehin keinen auf der Mall wittern. Doch irgendwo mussten sie stecken, und ich wäre gerne einem über den Weg gelaufen, der
freundlich aussah und dem ich eine Tasse Kaffee spendieren konnte, um ihn zu fragen, was hier tatsächlich los war.
Auf dem Weg aus dem American History Museum klingelte mein Handy und erschreckte mich
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