Die Stunde Der Vampire
gelassen und souverän.
Verärgert runzelte sie die Stirn. »Die Werwölfe hier sind wild und unbeherrscht. Sie könnten Sie als leichte Beute betrachten oder glauben, es sei einfach, Sie herauszufordern und zu unterwerfen. Es gibt keinen Alpha, der ihnen Einhalt gebietet. Sie haben bestimmt genügend Sorgen während Ihres Aufenthalts hier, da dachte ich mir, dass Sie sich nicht auch noch deshalb den Kopf zerbrechen wollten.«
Das stimmte. Doch ich war mir sicher, dass mehr dahintersteckte. Soweit mir aus Erzählungen bekannt war, waren Werwölfe im Laufe der Geschichte entweder die Diener oder Rivalen von Vampiren gewesen. Bestenfalls schlossen sie einen unbehaglichen Burgfrieden, wenn sie in unmittelbarer Nachbarschaft lebten.
Ich hatte noch nie erlebt, wie es war, wenn kein solcher Frieden herrschte. Manchmal kam ich mir so unwissend vor. Mein altes Rudel, mein alter Alpha hatten mir nicht viel über die groÃe weite Welt beigebracht. Bei ihnen hatte ich nur gelernt, mich furchtsam zu ducken. Dann hatte ich gelernt, mich um mich selbst zu kümmern.
»Was noch?«, fragte ich. »Was springt für Sie dabei heraus?«
Zum ersten Mal lächelte sie, eine undurchdringliche und rätselhafte Miene. »Mein liebes Mädchen, bei dieser Senatsanhörung wird zum ersten Mal seit Jahrhunderten jemand von unserer Art â ob nun Vampir oder Lykanthrop â in offizieller Eigenschaft vor eine Landesregierung berufen. Sie scheinen sich zu einer Autorität auf dem Gebiet gemausert zu haben.«
Ich schüttelte den Kopf. Mir war zum Lachen zumute. »Ich habe nie behauptet, eine Autorität zu sein â¦Â«
»Dennoch wenden sich viele Menschen an Sie. Und jetzt auch noch die Regierung. Und wenn Sie vor dem Senat aussagen, werden Sie, wenngleich sehr indirekt, auch für mich sprechen.«
Diese Art Autorität, diese Verantwortung wollte ich nicht. Bevor ich alles abstreiten konnte, fuhr sie fort.
»Ich habe Sie hierherbringen lassen, um Sie einschätzen zu können. Um herauszufinden, welchen Interessen Sie dienen. Welchen Interessen Sie dienen werden, wenn Sie vor dem Senatsausschuss sprechen.«
In welchem Netz aus politischen Verstrickungen ich gefangen war, wollte sie damit sagen. Sie wollte wissen, wer an meinen Fäden zog, weil in ihrer Welt jeder an Fäden hing.
Sie würde mir nicht glauben, wenn ich es ihr sagte.
»Ich diene meinen eigenen Interessen«, sagte ich. »Ich habe mein Rudel verlassen. Ãber andere Verbindungen verfüge ich nicht. Ich bin mir nicht sicher, ob ich noch Freunde habe. Da gibt es nur mich. Und meine Sendung. Einschaltquoten und die Bilanz. Das ist alles.«
Ich war mir sicher, dass sie mir nicht glaubte. Sie verengte
die Augen zu Schlitzen, während sie sich weiterhin belustigt gab. Als sei es ihr gleichgültig, was ich sagte, weil sie die Wahrheit mit der Zeit ohnehin herausbekäme. Sie war nicht in Eile.
»Wahrscheinlich«, sagte sie endlich, »macht Sie das weniger bestechlich als viele andere. Echte Kapitalisten sind im Grunde auÃerordentlich vorhersehbar. Aber ich habe mir Ihre Sendung angehört, und bei Ihnen steckt mehr dahinter.«
»Wenn Sie sich die Show angehört haben, dann kennen Sie mich. Mehr ist da nicht. Ich habe Kapital aus meinem groÃen Mundwerk geschlagen und eine Karriere daraus gebastelt. Das ist alles.«
»Da könnten Sie durchaus recht haben.«
Ich sah weg, denn ihre Augen ruhten auf mir, forschend, auf der Suche nach Schichten, die sich abhäuten lieÃen. Legenden besagten, dass Vampire einen mit der Macht ihrer Blicke in Trance versetzen konnten. Auf diese Weise lockten sie ihre Beute an, und deshalb entblöÃten gewisse Leute nur allzu gerne ihren Hals und ihre Adern vor ihnen.
Ich war an niemanden gebunden. Und so sollte es auch bleiben.
Sie sagte: »Wenn Sie recht haben und an Ihnen nichts weiter ist, als ich vor mir sehe, dann wäre es mir eine Ehre, wenn Sie meine Gastfreundschaft annähmen, die, wenn ich so kühn sein darf, in der ganzen Stadt ihresgleichen sucht.«
Ich würde sie annehmen. Ich wusste, dass ich es tun würde, wahrscheinlich während meines gesamten Aufenthalts.
Vielleicht weil das Zimmer schön und gemütlich war, und so furchteinflöÃend sie auch sein mochte, so stellten sich mir in ihrer Gegenwart doch nicht die Nackenhaare auf. Hinter ihrer Verwendung des Wortes Gastfreundschaft
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