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Die Stunde Der Vampire

Die Stunde Der Vampire

Titel: Die Stunde Der Vampire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carrie Vaughn
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Abschlussball an der Highschool. Bradley chauffierte uns in der Limousine, die am Bordstein parkte. Er stand an der offenen Tür zum Rücksitz; das Ganze wurde allmählich lächerlich. Leo setzte sein formelles Auftreten fort, als sei es eine Art Spiel, und half mir in meinen Sitz, bevor er sich leicht verbeugte und zur anderen Seite des Wagens ging.
    Ich fühlte mich hin- und hergerissen: Einerseits kam ich mir wie eine Schauspielerin auf dem Weg zur Oscarverleihung vor, andererseits wie die Zielscheibe des allgemeinen Spottes. Also hielt ich den Mund.
    Der Schwerpunkt des Hirshhorns lag auf moderner Kunst und Skulptur. Die Galerie, in der der Empfang stattfand, war kahl, mit weißen Wänden und glänzendem Fußboden, von strategisch platzierten Halogenstrahlern erleuchtet.
Hier und dort standen Skulpturen und die eine oder andere Multimedia-Installation in dem riesigen Saal, während einsam verstreut Gemälde an den Wänden hingen.
    Die Kunst war ohne einen Blick in die Erklärungen im Katalog größtenteils unverständlich. Getünchte Objekte, die nach Pappmaché aussahen und von den Wänden ragten, karge Fundstücke, die jemand zu einem Stuhl zusammengefügt hatte, all so etwas. Der Empfang fand zu Ehren einer der Künstlerinnen statt, einer bescheidenen Frau mittleren Alters, die von Bewunderern umgeben in einer abgelegenen Ecke des Raumes stand. Ich hatte noch nicht herausgefunden, welche Werke von ihr stammten. Im Grunde war ich mir gar nicht sicher, ob ich es herausfinden wollte, für den Fall dass man mich aufforderte, einen intelligenten Kommentar dazu abzugeben. Es war sehr wahrscheinlich, dass ich etwas Einsilbiges wie »Cool« oder »Wow« von mir gäbe, was wohl nicht allzu gut ankäme.
    Ich stellte mich vor ein Gemälde von Jackson Pollock, weil ich es wiedererkannte. Oder zumindest erkannte, dass diese besondere Anordnung von Farbklecksen von Jackson Pollock stammen musste.
    Ich sah mir die Kunst an. Leo alles andere. Sein Verhalten erinnerte bedrückend an einen Bodyguard, auch wenn es aufgrund seines gleichgültig-amüsierten Grinsens niemandem außer mir auffiel. Er wirkte wie ein gelassener Typ, der von seiner Freundin mitgeschleppt worden war, um etwas Kultur zu schnuppern.
    Â»Also, Leo«, fragte ich, »woher kommen Sie?«
    Â»Ursprünglich? Aus Leeds«, sagte er. »Bin schon eine Ewigkeit nicht mehr dort gewesen.«

    Was aus dem Mund eines Vampirs nun alles bedeuten konnte. »Seit ein paar Jahrzehnten? Einem Jahrhundert? Zweien?«
    Â»Dieses Rätsel möchte ich Ihnen auf keinen Fall zerstören.«
    Â»Wie lange sind Sie schon bei Alette?«
    Â»Ist das nicht die gleiche Frage?«
    Tja, er ließ sich nicht von mir an der Nase herumführen, was? »Vermissen Sie es?«
    Â»Was? Weshalb würde ich dort sein wollen, wenn mir das unsagbare Glück widerfährt, hier sein und Ihr Kindermädchen spielen zu dürfen?«
    Wenigstens hatte ich es versucht! Ich wandte mich wieder der Wand zu und tat so, als sei er nicht da. Es funktionierte nicht, na schön. Seine Gegenwart war wie ein Stein in einem Bach, eine kalte, harte Stelle, um die sämtliches Leben und jede Bewegung in dem Saal flossen, sie meidend. Ohne jegliche sichtbare Geste gelang es ihm, Abstand von der Menge zu halten. Ich erwischte ihn dabei, wie er eine Frau auf der anderen Seite des Raumes anstarrte. Sie war jung, trug eine Cordhose und eine grüne Bluse mit tiefem Ausschnitt. Geistesabwesend ließ sie einen Finger um den Rand des Weinglases gleiten, das sie in der Hand hielt. Sie lachte über etwas, das die Frau neben ihr gesagt hatte. Als sie den Kopf in den Nacken warf, wurde ein schlanker, schöner Hals sichtbar.
    Leos Haltung war wachsam, konzentriert, und sein Blick war gierig.
    Vampire jagten mithilfe ihrer Verführungskünste. Angezogen wurden sie von den Jungen und Schönen; im Gegenzug
sorgten sie dafür, dass sie anziehend auf die Jungen und Schönen wirkten. Leo war schön, auf verwegene englische Art; sein Aufzug war konservativ, aber schick, und noch viel wichtiger: reich; und höchstwahrscheinlich hatte er jahrzehntelang Zeit gehabt, seine Flirtkünste zu erproben. Sie hätte das Gefühl, ihr Herz werde im Sturm erobert, ohne dass sie wüsste, wie ihr wirklich geschah.
    Â»Wenn Sie auch nur einen Schritt in ihre Richtung gehen, laufe ich geradewegs zu ihr und erzähle ihr,

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