Die Stunde Der Vampire
Wandteppiche schmückten die Wände, und während der Raum in der Nähe des Eingangs wie jede andere Bar aussah, gab es weiter hinten keine Stühle, sondern gewaltige Polster und Kissen, die niedrige Tische umgaben. Ãllampen und Kerzen sorgten für Licht. Ich konnte Curry und Wein in der Luft riechen.
Ein Kerl, der unmöglich alt genug sein konnte, um Drinks zu servieren, stand hinter der Bar und trocknete Gläser ab. Ein paar Gäste saÃen in der Nähe auf Barhockern, wippten mit den FüÃen oder nickten im Takt der Musik. Eine Frau in weitem Rock und Bauernbluse tanzte â es musste sich wohl um Bauchtanz handeln, aber meine Vorstellung von Bauchtanz sah völlig anders aus. Die Frau war ganz Anmut und Freude an der Bewegung, nicht die Bezaubernde-Jeannie -Fantasie. Ihr dunkles Haar war zu einem Zopf gebunden, der durch die Luft schwang, wenn sie sich drehte. Sie lächelte entrückt.
Ein weiteres Dutzend Leute saà an den Tischen, sah der Tänzerin oder den Musikern zu, war in Gespräche vertieft, in Kissen zurückgelehnt, aà und trank. Es war eine ruhige, gelassene Gesellschaft, eine Art Nachtklub, in den die Leute wegen der Gespräche und der Atmosphäre kamen.
Alle waren Lykanthropen.
Ich blieb vor Schreck wie angewurzelt stehen. So viele Werwölfe hatte ich seit meiner Zeit im Rudel nicht mehr an einem einzigen Ort gewittert. Noch nie hatte ich so viele auf einem Haufen gesehen, ohne dass sie einander wütend anstarrten, umherstolzierten, Streitereien anfingen und um eine Position innerhalb der Hierarchie des Rudels rangelten. Wenn sie schon nicht miteinander kämpften, duckten sie sich zumindest furchtsam vor dem Anführer, der sie bei der Stange hielt, der gewaltsam für Frieden sorgte. Hier gab es keinen Anführer, jedenfalls entdeckte ich keinen.
»Stimmt was nicht?«, fragte Luis.
»Nein, es ist nur ⦠das hier habe ich nicht erwartet. Alle an einem Ort. Es ist überwältigend.«
»Du bist also schon immer alleine gewesen?«
»Früher hatte ich ein Rudel. Aber das war etwas völlig anderes.«
Er sagte: »Darf ich dir einen Drink spendieren?«
Ich brauchte wahrscheinlich einen. »Wein. WeiÃ. Glaube ich jedenfalls.«
Zwei volle Weingläser in der Hand führte Luis mich in die hintere Hälfte des Klubs, wo wir relativ ungestört sitzen konnten. Er fing zu strahlen an, als er eine kleine Gruppe erreichte, die in einer Ecke versammelt saÃ.
»Ahmed! Du bist hier.«
»Luis!« Ein gewaltiger Mann erhob sich anmutiger, als ich es ihm zugetraut hätte. Er bedeutete seinen Freunden, sich auf die andere Seite des Tisches zu setzen, wo sie ihre Unterhaltung fröhlich ohne ihn fortsetzten. Es gelang ihm, Luis auf die Schulter zu klopfen, ohne dass dieser auch nur einen Tropfen Wein verschüttete. Der Mann sprach mit schwachem Akzent, durch und durch amerikanisiert. »Schön, dich zu sehen. Ich dachte schon, du hättest uns für immer verlassen.«
»Ich hatte viel zu tun.«
Ahmed wandte sich mir zu. Er hatte olivfarbene Haut, schwarzes Haar und dunkle Bartstoppeln, einen beeindruckenden Bauch, der jedoch nicht weich wirkte, sondern ihn rund und fröhlich aussehen lieÃ. Ãber seinem Hemd und der Hose trug er ein weites, helles Gewand, das perfekt zu der Atmosphäre des Ladens passte.
Er war ein Werwolf. Ich stellte mir an seiner Stelle einen gewaltigen, grauhaarigen Koloss von einem Wolf vor. Bei der Vorstellung hätte ich am liebsten angstvoll aufgewinselt.
Auf jeden Fall wollte ich mich von meiner besten Seite zeigen. Ich musste das Verlangen niederkämpfen, mich näher an Luis heranzuschieben und hinter ihm Schutz zu suchen.
Ahmeds Augen blitzten auf, als wisse er ganz genau, welche Wirkung er auf andere Werwölfe hatte.
»Luis, du scheinst heute Abend Glück gehabt zu haben. Willkommen, willkommen!«
Ahmed reichte mir die Hand. Dankbar ergriff ich sie. Wann immer ich konnte, klammerte ich mich an Normalität. Er umschloss meine Hand mit den seinen und lächelte herzlich.
»Wer du wohl sein magst?«
»Kitty.«
»Kitty. Kitty Norville? Midnight Hour ?«
Gott behüte, dass es auf der Welt noch eine Werwölfin namens Kitty gäbe! Ich grinste, auf törichte Weise erfreut, dass er von mir gehört hatte. »Richtig.«
Luis starrte mich an. »Du bist die Kitty? Du hast gar nichts gesagt!«
»Es hat sich
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