Die Stunde Der Vampire
die Bremse trat. Der Sicherheitsgurt hielt mich zurück. Stockton fuhr auf die Standspur an eine Stelle, von der aus wir über die Leitplanke blicken konnten.
Vor uns auf dem hinteren Teil eines breiten Streifens Weidelands befand sich etwas, das wie die Ãberbleibsel eines heruntergekommenen Wanderzirkus aussah. Vielleicht zwei Dutzend altmodischer Wohnwagen, die an ramponierte Pick-ups angekoppelt waren, ein paar Wohnmobile, Airstreams und Winnebagos, umgebaute Lieferwagen und Busse, die in einer Art Kreis geparkt waren, wie die Planwagen der Pioniere. Ein weiteres Dutzend Autos stand dazwischen verteilt. In der Mitte war die Spitze eines gewaltigen Zeltes sichtbar, wie die Radnabe. Am äuÃeren Rand gingen ein paar Gestalten, undeutliche Umrisse in der Dämmerung, einen Drahtzaun ab, der die Siedlung umgab. Lichter überfluteten den Bereich im Innern des Zauns: die Scheinwerfer der Wohnwagen, der Trucks sowie diejenigen im Innern des Zeltes. Selbst aus einer Entfernung von hundert Metern konnte ich die Generatoren hören. Der Ort war ein Event, ein Karneval ohne die dazupassende Stadt, ein Lichterkreis in einer ansonsten überschatteten Welt.
Eine unbefestigte StraÃe, bei der es sich im Grunde um nichts weiter als zwei Spuren handelte, die sich in den Boden
gegraben hatten, führte vom Highway durch ein offenes Tor zu Smiths Karawane. Zwei weitere Autos parkten mit laufendem Motor in der Nähe des Tors.
Stockton kurbelte sein Fenster herunter und lehnte sich nach drauÃen, die Kamera auf das Lager gerichtet.
»Wie haben Sie herausgefunden, dass sie hier sind?«, fragte ich.
»Jemand von Uncharted World ist ihnen gefolgt. Hat sie vor zwei Wochen in DeKalb, Illinois, eingeholt und ist ihnen hierher gefolgt.«
»Warum ist er dann nicht hier drauÃen und filmt das Ganze?«
»Weil ihn vor zwei Nächten ein Auto ohne Nummernschilder von der StraÃe und in ein ausgetrocknetes Flussbett gedrängt hat. Er liegt mit vier gebrochenen Rippen und einer zertrümmerten Schulter im Krankenhaus.«
»ScheiÃe.« Ich schüttelte den Kopf. »Können Sie was sehen?«, fragte ich in Richtung des Rücksitzes. »Ich meine, Sie wissen schon. Etwas sehen ?«
»Aus dieser Entfernung lassen die Scheinwerfer alles verschwimmen«, sagte Jeffrey. Dann deutete er auf eines der anderen Autos, das eben das Licht ausgeschaltet und den Motor abgestellt hatte. »Allerdings ist der Typ da ein Lykanthrop.«
Ein Mann â der schlaksigen Gestalt und der krummen Haltung nach ein junger Kerl â stieg aus, schloss leise die Tür und fing an, die unbefestigte StraÃe auf den Lagerplatz der Karawane zuzugehen.
Schnell schnallte ich mich ab und sprang aus dem Wagen.
»Kitty!«, rief Jeffrey mir hinterher, doch ich achtete nicht auf ihn.
Ich eilte dem Kerl hinterher und wollte ihm schon zurufen, er solle stehen bleiben, als er mich hörte oder roch, denn er drehte sich um und wich zurück. Er hatte die Schultern hochgezogen, wie ein Wolf mit aufgestellten Rückenhaaren.
»Wer bist du?«, fragte er barsch.
»Ich heiÃe Kitty.« Ich blieb stehen, den Blick zu Boden gesenkt, die Schultern locker. Er konnte mich riechen; er wusste, was ich war. »Ich bin bloà neugierig. Warum bist du hier?«
Er nahm die Deckung kaum merklich herunter und zuckte mit den Schultern. »Ich habe gehört, dass es hier einen Typen gibt, der helfen kann.«
»Bei was helfen?«, fragte ich, als sei ich völlig auf den Kopf gefallen.
Er bedachte mich mit einem wütenden Blick, die Augen zu Schlitzen verengt, misstrauisch. » Hierbei helfen. Mir helfen, normal zu sein.«
»Aha. Das Gleiche habe ich auch gehört.«
»Dann weiÃt du ja, warum ich hier bin.«
»Ich habe aber auch gehört, dass er ein Betrüger ist. Dass es sich bei seiner Kirche in Wirklichkeit um eine Sekte handelt. Dass er die Leute einer Gehirnwäsche unterzieht, damit sie bei ihm bleiben. Keiner weiÃ, was dort drinnen vor sich geht.«
»Ja, das habe ich auch gehört.« Er schlang die Arme um sich, als sei ihm auf einmal kalt geworden.
»Und du willst trotzdem dorthin?«
»Bleibt mir denn etwas anderes übrig?«
»Ist es wirklich so schlimm? So schlimm, dass du deine Freiheit, deine Identität aufgeben würdest? Jedenfalls angenommen, die Gerüchte stimmen.«
»Seitdem es passiert ist, habe ich es nicht
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