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Die Stunde der Wahrheit

Die Stunde der Wahrheit

Titel: Die Stunde der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond E. Feist
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»Wir können ohne Zweifel beweisen, wer lügt und wer die Wahrheit spricht.«
    Mit giftigem Vergnügen ließ Almecho seinen Blick von Lady Maras Gesicht zu dem von Jingu schweifen. »Trennen wir also die Schuldigen von den Unschuldigen.«

Neun
    Rache

    Elgahar bat um Ruhe.
    Die Gespräche verblaßten zu einem Gemurmel, dann verstummten sie ganz, als die Gäste des Lords der Minwanabi sich in dem Raum versammelten, von dem aus Teani in den Tod gestürzt war. Shimizu hatte das Bewußtsein wiedererlangt. Er saß jetzt zu Füßen seines Lords und beobachtete den Erhabenen mit unbewegten Augen.
    Mara hatte ihnen gegenüber Platz genommen, an ihrer Seite Nacoya und Arakasi. Ihre Ehrenwache hatte sich das Blut vom Gesicht gewischt, doch es ansonsten unterlassen, sich zu erfrischen. Einige der Gäste hatten Sklaven fortgeschickt, um sich Gewänder bringen zu lassen, damit sie die Schlafkleidung verdecken konnten. Die meisten kümmerten sich jedoch nicht um ihre äußere Erscheinung. Sie alle waren ungeduldig vor Neugier, sie alle warteten gespannt auf die Magie, die die Erhabenen jetzt ausüben würden.
    Der Mond schien hell über das zerbrochene Geländer der Galerie. Einer der Erhabenen senkte seine Arme; er schien geradezu in kupfernem Licht zu baden. »Ich brauche freien Platz überall dort, wo die Handlung stattgefunden hat, außerdem darf niemand in der Tür stehen.«
    Sandalen schlurften über das gewachste Holz, als die Gäste Elgahars Bitte nachkamen. Der Kriegsherr setzte sich hinter den Lord der Minwanabi, und Mara sah, wie er sich vorbeugte und ihm etwas zuflüsterte. Jingu entgegnete mit einem leichthin gemeinten Lächeln, doch es kam gezwungen und steif. Kein Lord im ganzen Kaiserreich verstand wirklich die Macht der Mitglieder der Versammlung der Magier; die Vorstellung, daß diesem Erhabenen ein Zauberspruch der Wahrheit zur Verfügung stand, schien dem Lord der Minwanabi wenig zu behagen. Mit Hilfe der Magie mochte Mara nur zu leicht bei einer Lüge ertappt werden, was dem Untergang der Acoma gleichkäme. Doch Jingu beschäftigte sich mit anderen Möglichkeiten. Teani war tatsächlich unberechenbar gewesen, dieser Charakterzug hatte einen großen Teil ihrer Anziehungskraft auf ihn ausgemacht, und ihr Haß auf Mara war kein Geheimnis.
    Der Erhabene bezog Position an der Tür. Seine Gewänder verschmolzen mit dem Schatten, und nur sein Gesicht und die Hände bildeten einen blassen, verschwommenen Fleck. Als er sprach, klangen seine Worte wie eine Stimme, die von jenseits der Grenze des menschlichen Verständnisses zu kommen schien. Die Unschuldigen, die Schuldigen, die Zuschauer – sie alle zuckten bei dem Klang zusammen. »Wir stehen an einem Ort gewalttätiger Handlungen«, sagte Elgahar zu jenen, die sich versammelt hatten, um Zeugen seiner Magie zu werden. »Der Widerklang großer Leidenschaft bewirkt ein Echo in der Anderswelt, jenem Zustand der Energie, der jenseits unserer Realität existiert. Mein Zauberspruch wird diese Echos in sichtbarer Form herbeirufen, und alle Augen werden sehen, was zwischen den Dienern der Minwanabi und ihrem Gast, Mara von den Acoma, geschehen ist.«
    Er versank in Schweigen. Die Kapuze warf Schatten auf seine Gesichtszüge, als er einen Augenblick in absoluter Reglosigkeit verharrte. Dann wandte er den Kopf in Richtung des Daches. Er gestikulierte mit einer Hand in der Luft und setzte zu einem Gesang an, der so leise war, daß selbst die Nächststehenden die Worte nicht verstehen konnten. Mara saß da wie eine Tempelstatue; sie nahm das leichte Heben und Fallen im Ton des Magiers kaum wahr. Der Spruch, den er wob, übte eine merkwürdige Wirkung auf sie aus; es war, als würde eine Macht ihr innerstes Ich berühren und einen Teil ihres Geistes abtrennen. Arakasi neben ihr zuckte heftig zusammen, als würde auch er die Kraft der Magie spüren.
    Ein sanftes Glimmen entstand in der Mitte des Raumes, ausgehend von den zerfetzten Kissen. Mara sah mit fragendem Blick zu, als ein verschwommenes, durchscheinendes Abbild von ihr selbst erschien und dort Platz nahm, wo sie bei Teanis Ankunft gesessen hatte. Ein aschfahles Gespenst trat zu ihr, und alle erkannten die verhutzelte Gestalt Nacoyas.
    Die Gäste murmelten erstaunt. Als Nacoya sich selbst sah, wandte sie ihr Gesicht ab und machte mit der Hand ein Zeichen gegen das Böse. Der Erhabene achtete nicht darauf. Sein Gesang verstummte abrupt, und er hob die Hände; umrahmt vom Mondlicht, begannen die schimmernden Gestalten sich

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