Die Stunde der Wahrheit
speien schien. Dann wand sie sich wie eine Schlange und stieß das Messer in Richtung seines Herzens.
Shimizu wirbelte herum und fing das Messer mit seiner Armbinde ab. Die Klinge glitt zur Seite und hinterließ eine kleine Wunde. Wutentbrannt stieß er die Konkubine von sich, die ihn betrogen hatte. Sie stolperte hilflos nach hinten und verfing sich mit einem Absatz in der Kette, die die Läden sicherte. Dahinter lag der Balkon, das Geländer eine dunkle Silhouette vor der mondbeschienenen Oberfläche des Sees. Teani schlug wild um sich, verlor das Gleichgewicht und stolperte gegen die Holzstützen, die bereits für einen Mord vorbereitet worden waren. Das Geländer brach und gab mit einem kaum hörbaren Geräusch nach. Die Konkubine warf sich herum; Entsetzen raubte ihr jede Anmut, als sie sich verzweifelt irgendwo festzuklammern versuchte. Mara hielt vor Schreck die Luft an, sogar als die präparierten Bretter unter Teanis Füßen zersplitterten. Das Geräusch war das einer Totenglocke. Teani wußte, als sie taumelte, daß unten die glasierten Steine des Weges auf sie warteten; man würde ihren Körper am nächsten Morgen dort unten finden, nicht den ihrer Feindin.
»Nein!« Ihr Ruf hallte über den See, als das letzte Brett unter ihr brach. Sie schrie nicht. »Ich verfluche dich –« rief sie, während sie durch die Dunkelheit fiel. Dann prallte ihr Körper auf die Steine. Mara schloß die Augen. Shimizu stand verwirrt und gequält da, immer noch das blanke Schwert in der Hand. Die Frau, die er geliebt und begehrt hatte, lag tot dort unten.
Immer noch schien das Mondlicht auf die Reste des Balkons, an den jetzt nur noch zerbrochene Stützpfeiler erinnerten. Mara erschauderte. Sie warf dem Krieger, der zu einer Trauerstatue erstarrt zu sein schien, einen fassungslosen Blick zu. »Was ist mit meiner Ehrenwache geschehen?« fragte sie.
Shimizu schien sie nicht zu hören. Er wandte sich benommen vom Balkon ab und blickte Mara unfreundlich an. »Ihr werdet Beweise vorlegen müssen, daß Teani eine Spionin der Anasati war, Mylady.«
Mara strich sich das feuchte Haar aus dem Gesicht; sie war zu erschüttert, um auf die Drohung in seiner Stimme zu achten. Ihr Ziel – Rache für ihren Vater, für ihren Bruder und auch für Papewaio – lag jetzt sehr nahe. Wenn sie Shimizu nur ein Schuldeingeständnis abringen konnte – der Truppenführer glaubte wohl nicht ernsthaft an die Möglichkeit, die Tatsache verschleiern zu können, daß er Teani hatte töten müssen, um den Eid der Sicherheit der Gäste zu verteidigen. Da die Konkubine den Angriff begonnen hatte, konnte Jingu des Verrats beschuldigt werden; denn bei Maras Ankunft hatte die Hälfte der Gäste seine Verkündung mitangehört, daß Teani ein privilegiertes Mitglied seines Haushalts wäre.
Shimizu machte einen drohenden Schritt nach vorn. »Wo ist Euer Beweis?«
Mara schaute auf; die Erleichterung über ihr eigenes Überleben verführte sie zu einer unvorsichtigen Antwort. »Aber ich habe keinen Beweis. Teani war eine Spionin der Anasati, doch meine Behauptung, daß es einen schriftlichen Beweis gibt, war tatsächlich nur eine Behauptung.«
Shimizu blickte sich schnell um, und auf einen Schlag kehrte die Furcht zurück. Mara erinnerte sich. Nacoya war fortgelaufen, um Hilfe zu holen. Es waren keine Beobachter da, die bezeugen konnten, was immer in diesem Raum geschehen würde.
»Wo ist Arakasi?« wiederholte sie unfähig, die Furcht in ihrer Stimme zu verbergen.
Shimizu trat auf sie zu. Seine Haltung wandelte sich von fassungslosem Entsetzen zu Entschlossenheit, und seine Finger schlossen sich fester um seine Waffe. »Ihr benötigt keine Ehrenwache mehr, Lady der Acoma.«
Mara wich zurück; ihre Füße verfingen sich in den Kissen. »Krieger, nach allem, was diese Nacht geschehen ist, wagt Ihr es, die Ehre Eures Herrn auf eine Weise zu kompromittieren, die keinerlei Raum für Zweifel läßt?«
Shimizus Ausdruck blieb hart, als er das Schwert hob. »Wer weiß? Es gibt keine Zeugen, die mich belasten könnten, wenn ich behaupte, Ihr hättet Teani getötet und ich hätte sie aus Gründen der Ehre verteidigen müssen.«
Mara befreite sich aus den Kissen. Shimizu kam noch einen Schritt näher, trieb sie gegen die Kisten, ohne daß sie etwas dagegen tun konnte. Erschrocken fröstelte Mara bei der Erkenntnis, daß sein verrückter, gerissener Plan genug Verwirrung stiften könnte, um Jingus Ehre zu wahren. Sie versuchte ihn hinzuhalten: »Dann habt Ihr
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