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Die Stunde der Wahrheit

Die Stunde der Wahrheit

Titel: Die Stunde der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond E. Feist
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Amme, was das Mädchen wohl vorhatte; doch wie sie es sich zur Gewohnheit gemacht hatte, seit Buntokapi Lord geworden war, verneigte sie sich, ohne Fragen zu stellen.
    »Hast du Nachricht von unseren Gästen?« fragte Mara mit weicher Stimme.
    »Ja, Mistress.« Nacoya sah sie direkt an, doch sie fand kein Anzeichen von Nervosität bei dem jungen Mädchen, das sich in den Kissen zurücklehnte. Die Zofen hatten ihre Haare gebürstet, bis sie glänzten, und sie dann ordentlich zurückgebunden und mit Juwelen geschmückt. Ihr Kleid zeugte von Reichtum, ohne protzig zu wirken, und die Augen, die sie Nacoya entgegenhob, waren so schwarz, daß es unmöglich war, in ihnen zu lesen.
    Die alte Zofe fuhr etwas schroffer fort: »Die Gefolgschaft der Anasati hat die Grenzen des Acoma-Gebietes erreicht. Euer Läufer berichtete von vier Sänften, zwei Dutzend Leibdienern, und zwei ganzen Kompanien Krieger, die eine unter dem Banner der Anasati, die andere unter dem der Kaiserlichen Weißen. Es sind sechs Offiziere dabei, die Anspruch auf eine eigene Unterkunft haben.«
    Mara faltete die halbfertige Decke mit übertriebener Sorgfalt zusammen und legte sie zur Seite. »Ich nehme an, Jican hat alles vorbereitet?«
    Nacoya nickte bejahend. »Er ist ein guter Hadonra, Lady Er hebt seine Arbeit und braucht nur wenig Aufsicht – etwas, das mein Lord ruhig anerkennen sollte, zumal er so oft wegen seiner Geschäfte in der Stadt weilt.«
    Mara reagierte nicht auf das Stichwort. Statt sich ihrer engsten Vertrauten mitzuteilen, ließ sie Nacoya zu ihren eigenen Aufgaben zurückkehren. Dann klatschte sie kurz in die Hände und forderte die herbeieilende Zofe auf, Ayaki in die Obhut seiner Amme zu geben. Eine andere Dienerin holte Maras juwelenbesetzte Robe, ein geeignetes Kleidungsstück, um Gäste aus dem Hohen Rat zu begrüßen. Mit verschlossener Miene ließ Mara die Ankleideprozedur über sich ergehen. Als sie dann soweit war, Lord Almecho, den Kriegsherrn, und Tecuma, den Lord der Anasati, zu begrüßen, wirkte sie wie ein kleines Mädchen, das sich als große Dame verkleidet hatte; abgesehen von ihren Augen, die so hart waren wie Stein.
    Keyoke, Jican und Nacoya warteten bereits, um die Gäste bei ihrer Ankunft zu begrüßen. Keyoke trug die offizielle Rüstung, die für solche Anlässe vorgesehen war – vollkommen ungeeignet für eine Schlacht, aber hübsch anzusehen mit den geriffelten, verschnörkelten Verzierungen. Ein Helm mit Federbusch sowie Troddeln an seinem Schwert ergänzten seine offiziellen Rangabzeichen. Ebenfalls beeindruckend war die Aufmachung Papewaios, seines Adjutanten. Jeder einzelne Mann der Garnison, der nicht Wache halten mußte, hatte sich zur Begrüßung der Gäste ordentlich herausgeputzt, und im Sonnenlicht des Nachmittags schimmerten ihre Rüstungen im Grün der Acoma. Stolz standen sie da, als der erste der Kaiserlichen Soldaten zwischen den frisch gestrichenen Gartenzäunen hindurchschritt. Die Sänften im mittleren Teil des Zuges näherten sich dem Haus, und jetzt trat auch Mara zu den Wartenden. Bereits als kleines Kind hatte sie zuschauen können, wenn hohe Gäste ihren Vater besucht hatten, und der Ablauf war ihr vertraut; doch niemals zuvor waren ihre Handflächen während solcher Anlässe feucht geworden.
    Der Torhof hallte wider vom Getrampel der vielen Füße, als die erste Kompanie Krieger hereinmarschierte. Die Kaiserlichen Weißen des Kriegsherrn gingen voraus, denn er war der Ranghöchste. Keyoke trat vor und verbeugte sich vor dem Kommandierenden Offizier. Dann führte er, mit Maras Erlaubnis, die Gäste zu ihren Unterkünften. Eine ausgesuchte Gruppe von Leibwächtern blieb zurück, um ihren Herrn zu begleiten. Mit einem trockenen Gefühl im Mund bemerkte Mara, daß Lord Almecho sechs Soldaten zurückbehalten hatte, genauso viele, wie ihm vom Rang her zustanden. Deutlicher als alle Worte zeigte der Kriegsherr damit, daß seine Ankunft nicht als Ehre für die Acoma zu verstehen war, sondern als Gefallen gegenüber seinem Verbündeten Tecuma, dem Lord der Anasati. Mit einer kaum merklichen Bewegung ihrer Hand signalisierte Mara Papewaio, zu bleiben. Seine Gegenwart in der offiziellen Rüstung würde den Eindruck verstärken, daß sie keinerlei Schwäche gegenüber den Höherrangigen zeigte; die Acoma würden keinerlei Beleidigung hinnehmen.
    »Mistress«, murmelte Nacoya so leise, daß es niemand sonst hören konnte, »im Namen der Götter, seid bitte vorsichtig. Kühnheit ist ein gefährlicher

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