Die Stunde der Wahrheit
Weg für eine Lady, deren Herr nicht da ist.«
»Ich werde es mir merken«, flüsterte Mara, doch ihr Gesicht zeigte keinerlei Anzeichen, daß sie die Warnung überhaupt gehört hatte.
Dann trafen die Sänften ein; sie glänzten vor kostbarem Metall. Die Träger des Kriegsherrn trugen mit Troddeln geschmückte Schärpen, die vom Schweiß dunkel und staubig geworden waren. Seine Diener waren in perlenbesetzte Livrees gekleidet; alle waren in Größe und Farbe aufeinander abgestimmt. Als nächstes erschien die scharlachrote und gelbe Standarte der Anasati, hinter der Tecumas Ehrengarde marschierte; seine Diener präsentierten sich ebenfalls in kostbarer Aufmachung, denn der Lord der Anasati versuchte wie viele andere Tsuranis die Höhergestellten zu übertreffen, indem er seinen Reichtum protzig zur Schau stellte.
Mara betrachtete die metallenen Ornamente, die an dem Palankin klingelten und glänzten. Wenn seine Sklaven ausrutschten und die Last in den Fluß fiel, würde die protzige Ausstattung ihren Schwiegervater wie einen Stein in die Tiefe ziehen, dachte sie mit grimmigem Vergnügen. Doch ihr Gesichtsausdruck blieb gelassen, als die Gäste das Tor erreichten und der Schatten den juwelenbesetzten Abzeichen und den in Rot und Gelb gelackten Verzierungen etwas von ihrem Glanz nahm.
Die Träger setzten die Sänften ab und traten rasch einen Schritt zur Seite, während Diener herbeieilten, um die Vorhänge zurückzuziehen und ihren Herren beim Aussteigen zu helfen. Mara stand zwischen ihrem Hauspersonal und ließ einige angemessene Augenblicke verstreichen; sie wollte ihren Gästen die Gelegenheit geben, ihre Kleider – und damit ihre Würde – wieder in den bestmöglichen Zustand zu versetzen, bevor sie zur Begrüßung schritt. Da der Kriegsherr ein stämmiger Mann war und seine Kleidung aus Gewändern bestand, deren Schärpen mit feingearbeiteten Kampfszenen verziert waren, brauchten seine Diener einige Zeit. Mara warf einen Blick auf den Lord der Anasati, der seinen Kopf reckte, um das Durcheinander um sich herum zu betrachten; die Abwesenheit Buntokapis veranlaßte ihn zu einem gereizten Stirnrunzeln, bevor der Zwang des Protokolls seinen Gesichtsausdruck wieder glättete. Tecumas Kinn zuckte hinter seinem Fächer, und Mara vermutete, daß er einige stürmische Worte mit seinem Ersten Berater Chumaka wechselte. Das unangenehme Gefühl in ihrem Bauch wurde stärker.
»Mistress, paßt auf!« zischte Nacoya beinahe atemlos.
Mara wandte ihren Blick von dem Feind ihres verstorbenen Vaters ab und sah Kaleska, den Ersten Berater des Kriegsherrn, auf sich zutreten und sich vor ihr verneigen.
Sie verbeugte sich ebenfalls. »Willkommen im Haus der Acoma.« Der Kriegsherr trat an ihm vorbei, umgeben von seinen Soldaten und Dienern. Mechanisch ging Mara das traditionelle Begrüßungszeremoniell durch. »Seid Ihr wohlauf?« Sie fuhr fort, wünschte ihren Gästen Glück und Annehmlichkeiten; doch während sie Höflichkeiten austauschte, bemerkte sie die Verwirrung Lord Almechos, der jetzt ebenfalls die Abwesenheit des Lords der Acoma registriert hatte. Mara winkte den Dienern, damit sie die Türen zum Herrenhaus öffneten. Der Kriegsherr wechselte einen Blick mit dem Lord der Anasati; dann, als würde er die Unruhe seines Herrn nachahmen, zupfte auch Tecumas Erster Berater Chumaka nervös an seiner Kleidung.
Mara verneigte sich wieder und trat zur Seite, um ihren Gästen den Zugang zu ihrem Haus zu ermöglichen. Geduldig stand sie da, während sie vorbeigingen, außer in dem Augenblick, da Lord Tecuma ihr hitzig eine Frage über den Verbleib Buntokapis ins Ohr flüsterte. In einer sorgfältig geplanten und zum richtigen Zeitpunkt ausgeführten Geste hob sie die Hand und rückte die Brosche zurecht, die ihre Robe hielt, und das Klimpern ihrer Jade-Armbänder übertönte seine Frage geräuschvoll. Als der Kriegsherr mit dröhnender Stimme von einem der umstehenden Diener kalte Getränke verlangte, konnte er die Frage nicht wiederholen, ohne Aufsehen zu erregen. Tecuma wirkte sehr erregt und folgte seinem Reisegefährten in den großen Saal. Dort wies Mara die Musiker an zu spielen, während Tabletts mit Obstscheiben für die Erfrischung der Gäste sorgten.
Als sie erst einmal im Saal waren, versuchte Nacoya rasch, Kaleska und Chumaka in eine Unterhaltung zu verwickeln, indem sie sich über den schlechten Zustand bestimmter Straßen im gesamten Kaiserreich ausließ, besonders aber über jene Straßen, die den Handel der
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