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Die Stunde der Wahrheit

Die Stunde der Wahrheit

Titel: Die Stunde der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond E. Feist
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hatte. Es war eine Form, die beinahe nur noch als historische Merkwürdigkeit in Erinnerung war. Zu ihren Grundsätzen gehörte, daß jedes Versprechen unmöglich rückgängig gemacht, ergänzt oder verändert werden konnte. Wenn Mekasi von den Kehotara Gehorsam gegenüber dem Lord der Minwanabi geschworen hatte, würde er auf Befehl Jingus ohne zu zögern sogar seine Kinder töten. Da betrogene Allianzen nichts Ungewöhnliches im Spiel des Rates waren, machte der Kodex von Tan-jin-qu die Kehotara so abhängig von den Minwanabi, als würden sie zu ihrem Haushalt zählen, sogar noch abhängiger als Familien des eigenen Clans. Nur wenn Mekasi starb und sein ältester Sohn den Mantel des Lords überstreifte, konnte die Familie über einen Neubeginn verhandeln. Bis dahin wären alle Versuche, den Kehotara zu drohen, sie zu schikanieren, zu kaufen oder zu bestechen, völlig sinnlos; sie würden die Minwanabi auf gar keinen Fall betrügen.
    »Also gut«, meinte Mara und straffte sich entschlossen. »Wir müssen also sicherstellen, daß dieser Bruli in einer Art und Weise unterhalten wird, die zu ihm paßt.« Arakasi blickte seine Herrin neugierig an.
    Nacoya versuchte höflich zu klingen, denn Maras Vorschlag war keine Kleinigkeit. »Ich nehme an, Ihr wollt dieser Petition Gehör schenken?« fragte sie.
    »Natürlich.« Mara schien ganz weit weg zu sein. »Wir dürfen diesen Annäherungsversuch nicht übereilt zurückweisen. Wollen wir etwa eine solch erhabene Persönlichkeit wie den Lord der Kehotara beleidigen?«
    »Dann habt Ihr also bereits einen Plan.« Arakasi lächelte.
    Mara antwortete ohne jede Spur von Humor: »Nein. Aber ich werde einen haben, wenn es soweit ist und dieses Anhängsel von Jingu sich präsentiert – das heißt, sofern unsere Spione mir alle verfügbaren Informationen über Bruli und seine Familie zusammentragen können, bevor er mit seinem Gefolge hier erscheint.«
    Arakasi beugte sich etwas vor; er war genötigt, ihre Kühnheit zu bewundern. »Das wird einiges kosten. Wir werden die schnellsten Läufer der Botengilde brauchen, und sie müssen an uns gebunden werden und uns die Treue schwören, damit die Nachrichten nicht abgefangen oder mit Gewalt aus ihnen herausgequetscht werden können.«
    »Natürlich«, antwortete Mara, obwohl sie wußte, daß Jican laut aufheulen würde. Männer, die bereit waren, für die Unversehrtheit der von ihnen mitgeführten Nachrichten zu sterben, konnte man mit nichts anderem als klingender Münze gewinnen. »Ihr solltet Euch als erstes darum kümmern, Arakasi.«
    Der Supai erhob sich rasch, und die Begeisterung beflügelte seine Schritte. Dies war genau das, wofür sein Netzwerk vorgesehen war! Eine kühne Teilnehmerin am Spiel des Rates, die nicht ängstlich davor zurückschreckte, ihren Vorteil wahrzunehmen; und der besondere Zuschlag war, daß Maras Ziel ein Verbündeter der Minwanabi war. Plötzlich erschien ihm der Tag vollkommen.

    Dunkelheit drang herein, als die Läden geöffnet wurden, um den Heiratsbewerber in die große Halle der Acoma zu führen. Bruli von den Kehotara war beinahe schön in seiner mit schwarzen Säumen geschmückten roten Rüstung; und selbst aus der Entfernung, von der Stirnseite der Halle, wo Mara unter dem Gewicht ihres gewaltigen Zeremonienkostüms auf ihrem Podest wartete, erkannte sie sofort, daß ihre Spione die Wahrheit gesagt hatten. Dieser Mann war eitel wie ein Pfau. Er hatte auch einigen Grund dazu; er war schlank, doch nicht muskulös, und während die Mehrheit der Männer in den drei wichtigen Nationen des Kaiserreiches eher zu Stämmigkeit neigte, bewegte er sich mit der Grazie eines Tänzers. Seine blauen Augen bildeten einen seltenen und verblüffenden Kontrast zu seinem beinahe schwarzen Haar, und ein warmes Lächeln lag auf seinen Lippen. Doch der Gedanke, daß es ihn genauso glücklich machen würde, die Frau auf dem Podest, der er sich näherte, zu töten wie zu heiraten, wich nicht aus Maras Kopf, als sie für einen kurzen Moment darüber nachdachte, wie sehr sich Bruli doch von Bunto unterschied.
    Als könnte sie ihre Gedanken lesen, neigte Nacoya sich in ihre Richtung und flüsterte ihr zu: »Er hat mehr Zeit damit verbracht, sich selbst im Spiegel anzusehen als Euch, Tochter.«
    Mara unterdrückte ein Lächeln. Sie behielt ihre formelle Haltung bei, während sie den zweiten Sohn der Kehotara in ihrem Hause willkommen hieß.
    Zwei wenig einnehmende Krieger der Kehotara begleiteten Brulis Sänfte, während sechs

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