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Die Stunde der Wahrheit

Die Stunde der Wahrheit

Titel: Die Stunde der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond E. Feist
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niedergelassen hatte, blickte die Lady der Acoma sie der Reihe nach einzeln an. »Wir wissen, was geschehen ist. Niemand braucht jemals wieder davon zu sprechen. Doch bevor wir das Andenken Buntokapis für alle Zeit begraben, möchte ich noch eines sagen. Die Verantwortung dafür, was geschehen ist, und auch die Verantwortung dafür, was noch geschehen wird als Resultat dessen, was geschehen ist, liegt ganz allein bei mir. Niemand von denen, die den Acoma dienen, muß auch nur einen Augenblick lang fürchten, ehrlos gehandelt zu haben. Wenn in irgendwelchen Winkeln im Kaiserreich von Unehre geflüstert wird, trage allein ich die Last der Scham dafür.« Damit zog Mara das Tuch des Schweigens über ihren toten Mann. Niemals würden sie sich wieder fragen, ob sie ihren rechtmäßigen Herrn verraten hatten.
    Beinahe abrupt wandte Mara sich anderen Angelegenheiten zu. Eigentlich schmeichelte die rote Farbe ihr, doch die tief gerunzelte Stirn verfinsterte ihr Gesicht, als sie sich an Keyoke wandte: »Wir müssen schnell neue Soldaten rekrutieren. Die Minwanabi haben einen Rückschlag erlitten, und ihre Pläne sind zunichte gemacht worden, doch wir müssen die Zeit, die uns zur Verfügung steht, nutzen und unsere Position ausbauen.«
    Der Kommandeur nickte mit seinem üblichen ausdruckslosen Gesicht. »Das ist möglich, wenn wir jeden verfügbaren jüngeren Sohn zu uns rufen und alle von ihnen reagieren. Einige werden jedoch dem Ruf anderer Häuser folgen. Noch immer sind die Lords der Minwanabi und Kehotara damit beschäftigt, die dreihundert Männer zu ersetzen, die sie vor einigen Monaten zu uns geschickt hatten. Ich denke, wir können mit Sicherheit davon ausgehen, daß wir innerhalb der nächsten zwei Monate zweihundert neue Krieger erhalten – wenn es auch unerfahrene Junge werden. Die anderen dreihundert, nach denen Ihr fragtet, werden wohl noch ein weiteres Jahr in Anspruch nehmen.«
    Mara mußte sich mit dieser Antwort zufrieden geben; Buntokapi hatte beträchtliche Schulden hinterlassen, und Jican hatte erklärt, daß etwas Zeit nötig sein würde, das Vermögen des Hauses wieder auf den alten Stand zu bringen. Zu dem Zeitpunkt, da die Rekrutierung neuer Soldaten abgeschlossen sein würde, mußte sich auch die Finanzlage genug stabilisiert haben, um die Ausgaben für die Ausbildung neuer Krieger bezahlbar zu machen. Zudem würden dank der zaghaften Allianz mit den Anasati nur wenige wagen, die Acoma anzugreifen, und ganz sicher keiner davon offen.
    Wie immer hatte Nacoya eine Warnung vorzubringen: »Mistress, wenn die Acoma an Verbündeten und militärischer Stärke gewinnen, müßt Ihr Euch ganz besonders vor indirekten Angriffen hüten.«
    Arakasi stimmte ihr zu. »Mistress, an dem Tag, da Eure Trauerzeit offiziell endet, werdet Ihr ganz sicherlich von Ehemaklern Einladungen erhalten, die sie im Auftrag des einen oder anderen Bewerbers aussprechen. Wenn einige der ehrenwerten Söhne aus edlen Häusern herkommen, sind ganz sicher auch Spione der Minwanabi darunter.«
    Mara dachte mit entschlossener Miene darüber nach. »Dann müssen wir sicherstellen, daß diese Spione nichts herausfinden, das es wert ist, ihren Herren berichtet zu werden.«
    Das Treffen ging noch eine Zeitlang weiter, und Mara fühlte sich immer sicherer in ihre frühere Rolle als Herrscherin der Acoma ein. Als die Dunkelheit sich vertiefte und schweigende Sklaven die Lampen anzündeten, waren die Entscheidungen gefällt und neue Nachrichten besprochen; während der Spanne zwischen Einbruch der Nacht und Mitternacht war mehr Geschäftliches erledigt worden als während der gesamten Dauer von Buntokapis Herrschaft als Lord der Acoma. Schließlich erhob Jican sich mit einem Seufzer deutlicher Zufriedenheit. Welche persönliche Schuld oder Erleichterung die anderen wegen Buntokapis Tod verspüren mochten, blieb verborgen, als sie aufstanden und hinausgingen.
    Als Nacoya, die etwas langsamer als die übrigen war, sich steif von ihren Kissen erheben wollte, winkte Mara sie spontan zurück. Die anderen hatten schon beinahe die Tür erreicht, doch sie hielten ehrerbietig inne, da Mara noch etwas von ihnen wollte.
    Etwas Schelmisches blitzte in den Augen der Lady auf, als sie die erwartungsvollen Gesichter betrachtete. »Was würdet Ihr davon halten, wenn ich Nacoya offiziell zur Ersten Beraterin ernenne?«
    Die alte Amme rang laut nach Atem, und Keyoke ließ ein seltenes Grinsen sehen.
    »Die Stelle war seit Jajorans Tod unbesetzt«, erklärte Mara.

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