Die Stunde der Wahrheit
westlichsten Teil der Provinz dessen, was die Barbaren das Königreich der Insel nennen.«
Mara war immer erstaunt über die große Menge an Informationen, die Arakasi bereithielt, sogar bis hin zu den unwichtigen Details. Er machte sich niemals Notizen oder trug Listen bei sich; seine Spione mußten ihre Berichte in kodierter Form als gewöhnliche Geschäftsdokumente tarnen. Und seine intuitiven Vermutungen waren von nahezu unheimlicher Überzeugungskraft.
»Glaubt Ihr, daß die Partei des Blauen Rades das Bündnis gewechselt hat?« fragte sie.
»Nein.« Arakasi schien ganz sicher zu sein. »Die Welt von Midkemia hält für die Ziele eines Mannes zu viele Reichtümer bereit, und Kamatsu ist ein zu schlauer Spieler des Spiels. Ich vermute, daß das Blaue Rad in einem kritischen Augenblick der Kriegsallianz seine Unterstützung entziehen und den Kriegsherrn, dessen Truppen auf ein viel zu großes Gebiet verstreut sind, damit gefährlich schwächen wird. Wenn es wirklich so kommt, werden die Nachwirkungen sicherlich sehr interessant.«
Mara dachte im Licht dieser Informationen noch einmal über die Nachricht des Lords der Shinzawai nach und beschloß zögernd, eine ablehnende Antwort zu geben. Ihre Pläne mit Bruli und der verworrene Zustand der Finanzen der Acoma hielten sie jetzt ohnehin davon ab, Hokanu die Ehre zuteil werden zu lassen, die er verdiente. Später einmal würde sie ihm vielleicht eine Einladung schicken, um die Absage wiedergutzumachen, die sie jetzt senden mußte. »Jican, beauftragt die Schreiber, einen freundlichen Brief zu schreiben, in dem wir den jüngeren Sohn des Lords der Shinzawai informieren, daß wir nicht in der Lage sind, ihm zur Zeit unsere Gastfreundschaft zu gewähren … Der Tod meines Lords hat ein großes Durcheinander im Acoma-Haushalt hinterlassen, und dafür bitten wir in aller Bescheidenheit um Verständnis. Ich werde das Pergament selbst unterzeichnen, denn Hokanu ist jemand, den ich nicht ernsthaft beleidigen möchte.«
Jican machte auf seiner Tafel eine Notiz. Dann runzelte er in einer Weise die Stirn, die auf mehr als nur gewöhnliche Niedergeschlagenheit hindeutete. »Da ist noch die Sache mit den Spielschulden des verstorbenen Lord Bunto, Lady.«
Mara, müde vom Sitzen, erhob sich und ging zu dem Fensterladen, der zum Garten zeigte. Sie starrte auf die Blumen. »Wieviel hat er verloren?«
Der Hadonra antwortete ohne zu zögern, als hätten die Zahlen ihn bereits seit einigen Nächten im Schlaf verfolgt. »Siebentausend Centunes, siebenundzwanzig Dimis, fünfundsechzig Cintis … und vier Zehntel.«
Mara wandte ihm das Gesicht zu. »Können wir bezahlen?«
»Sicherlich, doch es wird den Kapitalfluß eine Saison etwas begrenzen, bis die nächste Ernte verkauft ist.« Die Angelegenheit schien Jican zu schmerzen. »Wir werden einige Kredite aufnehmen müssen.«
Doch die Handwerker der Cho-ja begannen bereits mit der Produktion von verkäuflicher Jade; die Zeit der Schulden würde also kurz sein. »Bezahlt sie jetzt«, sagte Mara deshalb.
Jican schrieb wieder etwas auf die Tafel. »Dann ist da noch die Sache mit den Schulden des Lords der Tuscalora.«
»Welchen Schulden?« Die Ländereien der Tuscalora grenzten im Süden an den Besitz der Acoma, und nach Maras Kenntnis hatte es seit mehreren Generationen keine geschäftlichen Bande zwischen den Herrschern gegeben.
Jican seufzte. »Euer Ehemann war zwar ein schlechter Spieler, doch gar nicht so schlecht im Ringen. Er hat den besten Ringer der Tuscalora bei vier verschiedenen Gelegenheiten besiegt, und jedes Mal verlor Lord Jidu eine gehörige Menge. In der ersten Runde hatte er dreißig Centunes gesetzt, die er in Edelsteinen bezahlte. In der zweiten Runde ging es um fünfhundert Centuries; dies ist in einem Vertrag festgehalten, den er jedoch niemals erfüllte, weil es in den nächsten zwei Wetten um doppelt soviel oder gar nichts ging. Lord Jidus Meisterringer wurde geschlagen; es war eine ganze Woche lang Stadtgespräch von Sulan-Qu. Gegenwärtig schuldet der Lord der Tuscalora den Acoma eine Gesamtsumme von zweitausend Centuries.«
»Zweitausend Centuries! Das würde unsere Finanzlage beträchtlich entlasten.«
Jican zuckte mit den Achseln. »Wenn er genügend Vermögenswerte hat, um zahlen zu können, ja – ich habe zwei höfliche Erinnerungen geschickt und keine Antwort erhalten, wahrscheinlich, weil der Lord selbst auf Kredit lebt, bis die fällige Ernte für den Markt eingefahren ist.«
»Bereitet eine
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