Die Stunde der Wahrheit
zurückzukehren. Als sie die Straße überquerten, geriet der kräftige, grobe Körper des Anführers in ihren Blick. Er hatte schöne Muskeln und etwas Herrisches beim Gehen. Teani war von der Aussicht auf Gewalt und Rache erregt, und sie entschied, in einem abgeschiedenen Hain weiter vorn an der Straße anhalten zu lassen. Sie würde sich etwas Unterhaltung gönnen; der Mann und seine Kameraden würden ohnehin sterben – und sie vorher nicht noch für ihr Vergnügen zu benutzen wäre reine Verschwendung von gutem Fleisch. Abgesehen davon würden ein paar zusätzliche Flecken auf Gesicht und Körper Jingu überzeugen, daß wirklich Banditen sie mißhandelt hatten, und keinen Verdacht in ihm aufkommen lassen. Während Teani so nachdachte, zitterte sie vor Erwartung, als die Träger die Sänfte emporhoben und ihre Reise zur Heiligen Stadt wieder aufnahmen.
Ein Stück weiter die Straße hinunter blieb der Topfverkäufer stehen, als wolle er das Geld zählen, das die schöne Lady ihm gegeben hatte. Er lugte unter der breiten Krempe seines Hutes hervor und sah zu, wie die Sänfte sich entfernte, während er immer noch darüber sinnierte, was die Frau wohl so lange trödeln ließ, bevor sie die Träger zu sich rief. Die möglichen Tagträume eines Wesens wie Teani waren keine angenehme Vorstellung. Mit einem grunzenden Laut der Abscheu verlagerte er das Gewicht der Töpfe. Er war derjenige gewesen, der seinen Herrn davon überzeugt hatte, daß ihre Fähigkeiten weit über das Bett hinausreichten, und in der Vergangenheit hatte sich dieses Urteil gut ein Dutzend mal bezahlt gemacht. Doch in letzter Zeit zeigte Teani Anwandlungen von Unabhängigkeit, eine Tendenz, die Anordnungen auf ihre eigene Weise auszulegen. Allein auf der staubigen Straße, mitten im lärmigen Krach des vorübereilenden Verkehrs versuchte der unechte Händler abzuwägen, ob diese Eigenschaft wohl ein wachsendes Risiko bedeutete. Er beruhigte seine Unsicherheit in der üblichen Weise mit genau abgewogenen Argumenten: wie auch immer, Teani konnte den Minwanabi nur Unannehmlichkeiten bereiten. Wenn sie ihre Loyalität den Minwanabi anbot, würde Jingu im besten Fall eine Dienerin von zweifelhafter Glaubwürdigkeit erhalten. Abgesehen davon konnte man sie immer noch aus dem Verkehr ziehen, bevor sie zu einem echten Problem werden würde.
Verärgert über das Gewicht des Stabes, der in seine Schulter schnitt, wandte sich Chumaka, Erster Berater des Lords der Anasati, gen Sulan-Qu. Es würde für sie von Vorteil sein, daß sie Teani zurück in den Haushalt der Minwanabi schickten. Wenn sie auch alle überrascht hatte, indem sie in Buntokapis Haus aufgetaucht war, so glaubte Chumaka, daß die Dinge jetzt einen besseren Lauf nehmen würden. Sein Herr würde nicht mit ihm übereinstimmen, aber andererseits hatte sein Herr ja auch gerade erst einen Sohn verloren. Chumaka bewertete das nicht besonders hoch. Er hatte niemals viel für Bunto übrig gehabt, und wenn auch das Mädchen von den Acoma viel talentierter war als bisher angenommen, so waren doch die Minwanabi die wirkliche Bedrohung. Die Dinge im Hohen Rat kamen in Bewegung, und die Spannung des Spieles wuchs, während der Feldzug des Kriegsherrn auf Midkemia weiterging. Die genauen Einzelheiten einer Intrige brachten Chumakas Blut immer in Wallung. Götter, wie hebe ich die Politik! dachte er, während er die Straße entlangschritt. Es war ihm beinahe fröhlich zumute, und so begann er das Klappern seiner Waren mit lautem Pfeifen zu übertönen.
Nach ihrer Rückkehr von Sulan-Qu berief Mara eine Versammlung ein. All jene, die ihr am nächsten standen und zu ihren engsten Vertrauten zählten, trafen sich in ihrem Zimmer, während die kühle Dämmerung die Äcker und Thyza-Felder verschleierte. Nacoya saß zu ihrer Rechten; sie hatte als Schutz vor Turakamu, in dessen Domäne ihr verstorbener Herr eingetreten war, einen roten Schal um ihre Haare gebunden. Körbe mit rotem Schilf waren vor jede Tür des Herrenhauses gestellt worden, um auf die Trauerphase aufmerksam zu machen und die Augen des Roten Gottes von den Trauernden abzulenken.
Mara trug offizielle Kleidung in derselben Farbe, doch ihre Haltung hatte ganz und gar nichts Bekümmertes oder Wehmütiges an sich. Aufrecht und stolz saß sie da, als Jican, Keyoke, Papewaio, Lujan und Arakasi sich vor ihr verbeugten und auf den Kissen Platz nahmen, die für sie in einem Kreis auf dem Boden ausgelegt worden waren.
Als der letzte von ihnen sich
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