Die Stunde der Wahrheit
will, muß ich sofort nach Sulan-Qu aufbrechen.«
»Ihr seid ein sehr eifriger Bewerber, der die Aufmerksamkeit der Lady verdient.« Nacoya klatschte in die Hände, damit die Diener Brulis Sänfte herbeischafften und seine Wachen holten. Es folgte ein komisches Durcheinander, als Bruli die Ehrengardisten nach ihrer Größe aufstellte, damit sie während des Gehens ein harmonisches und ausdrucksvolles Bild abgaben. Nachdem er vom Herrenhaus aufgebrochen war, konnte sich Nacoya nicht mehr zurückhalten. Sie durchquerte die Halle, um auf die Tür zuzugehen, die zu Maras Gemächern führte, machte jedoch noch einmal kehrt. Dann gab es für ihr lautes Gelächter kein Halten mehr. Sie hielt sich die ausgetrocknete Hand vor den Mund und eilte zu ihrer Herrin. Wer sonst als eine Herrscherin hätte so auf Brulis Eitelkeit setzen und diese Schwäche auch noch zu einem Plan ausbauen können? Die Herren Jingu von den Minwanabi und Mekasi von den Kehotara würden lernen müssen, daß sich die Fragen der Ehre nicht immer mit Waffen austragen ließen.
Immer noch kichernd betrat Nacoya die Gemächer Maras, wo Jican und Arakasi bereits bei der Lady der Acoma warteten. Mara schaute von einer Schriftrolle auf und bemerkte, daß ihre Erste Beraterin immer noch eine Hand auf den Mund gepreßt hielt. »Du scheinst sehr amüsiert zu sein.«
Nacoya setzte sich langsam; ihre nicht ganz ordentlich sitzenden Haarnadeln rutschten noch weiter zur Seite. »Wenn ein Feind ohne Blutvergießen besiegt werden kann, welchen Schaden macht es dann, sich ein wenig daran zu ergötzen?«
Maras Interesse erwachte. »Dann funktioniert also unser Plan, Mutter meines Herzens?«
Nacoya entgegnete mit einem lebhaften Nicken: »Ich denke, ich kann Bruli für ungefähr eine Woche beschäftigt halten und Euch die Notwendigkeit ersparen, die Kehotara zu beleidigen. Unsere Idee entwickelt sich vorzüglich.«
Mara nickte zustimmend und nahm das unterbrochene Gespräch mit Jican wieder auf. »Sagtet Ihr, daß Hokanu von den Shinzawai die Erlaubnis erbittet, sich an die Acoma zu wenden?«
Der Hadonra betrachtete das Pergament in seiner Hand. Es war ein Werk guter, solider Schreibkunst, doch kein übermäßig verziertes Heiratsangebot. »Der Lord der Shinzawai erklärt, sein Sohn würde auf seinem Weg vom Haus der Familie in Jamar zurück zu den Gütern im Norden hier vorbeikommen. Er bittet darum, daß Hokanu bei Euch vorstellig werden darf.«
Mara erinnerte sich an Hokanu von ihrer Hochzeit her, ein dunkelhäutiger, auffallend gutaussehender Mann in ihrem Alter. Nacoya mußte sie nicht erst daran erinnern, daß er in der engeren Wahl als Ehemann gewesen war, bevor sie sich für Buntokapi entschieden hatte.
Mara spürte den durchdringenden Blick Arakasis und bat den Supai um seine Meinung.
»Es könnte möglicherweise gut sein, Hokanus Interesse zu verstärken. Die Shinzawai zählen zu den ältesten und einflußreichsten Familien im Hohen Rat; der Großvater war Kanazawai, Kriegsführer des Clans; nachdem er sich zurückgezogen hatte, wurde es Kamatsu. Zwei Kriegsführer nacheinander aus der gleichen Familie, das zeugt von einer seltenen Geschicklichkeit in der Politik der Clans. Und sie sind keine brutalen Spieler des Großen Spiels, sondern haben ihre Position durch Fähigkeit und Verstand errungen, ohne Blutfehden, ohne Schulden. Sie sind die einzige große Familie neben den Xacatecas, die weder mit dem Kriegsherrn noch mit den Minwanabi oder den Anasati paktiert. Allerdings sind sie in einen Plan der Partei des Blauen Rades verwickelt.«
Also auch Arakasi glaubte, daß eine Eheschließung den Acoma guttun würde. Doch Maras Interesse war rein politischer Natur. »Was für ein Plan?«
»Ich weiß es nicht.« Arakasi machte eine hilflose Geste. »Meine Spione sind nicht an den entscheidenden Stellen, um Informationen aus dem Innern des Blauen Rades zu bekommen. Ich würde sagen, es ist etwas in Planung, was dem Einfluß des Kriegsherrn einen Dämpfer verpassen soll, da das Blaue Rad innerhalb des Rates die Ansicht vertritt, daß Almecho in seinem Amt zu viel Macht besitzt. Doch hat diese Bewegung seit Almechos Invasion der barbarischen Welt beinahe vollständig aufgehört zu existieren. Selbst die Shinzawai stellen jetzt ihre Unterstützung zur Verfügung. Kamatsus ältester Sohn, Kasumi, ist Truppenführer der Kanazawai-Truppen auf Midkemia« – der Supai runzelte die Stirn, als er die fremden Namen aussprach – »und kämpft gegen die Armeen Crydees im
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