Die Stunde der Wahrheit
Tuscalora das Heft in die Hand nahm und im Namen seiner Ahnen einen Eid leistete, demzufolge er das Mara gegebene Versprechen nicht brechen würde.
Endlich zufrieden, gab Mara ihren Soldaten ein Zeichen. Sie halfen ihr zurück in die blutbefleckte Sänfte. Ihr Gesicht war blaß. Die Träger hoben die Sänfte vorsichtig hoch. Als sie sich für den Marsch nach Hause bereitmachten, nickte Mara dem Lord der Tuscalora zu. »Die Schuld ist gerecht beglichen, Jidu. Ich freue mich, daß ich allen, die mich fragen, berichten kann, daß der Lord der Tuscalora ein Mann von Ehre ist und seinen Verpflichtungen ohne Zögern nachkommt.« Sie konnte sich eines ironischen Kommentars nicht enthalten. »Und daß er sich an sein Versprechen hält. Alle werden wissen, daß Ihr durch Euer Wort gebunden seid.«
Der Lord der Tuscalora reagierte nicht auf ihren spitzen Sarkasmus. Er hatte sie unterschätzt und einen großen Teil seines Prestiges durch einen Fehler verloren. Doch zumindest würde sein Verstoß gegen die Ehre nicht öffentlich bekannt werden, und für diese kleine Gunst dankte er dem Himmel.
Als die Gefolgschaft der Acoma in sicherer Entfernung vom Haus der Tuscalora war, schloß Mara die Augen und verbarg das Gesicht in ihren Händen. Papewaio trat näher an die Sänfte. »Ihr habt ein großes Risiko auf Euch genommen, Mylady. Und dennoch habt Ihr triumphiert.«
Maras Antwort wurde durch ihre Hände gedämpft. »Viele tapfere Männer sind getötet worden.«
Papewaio nickte. »Aber sie starben wie Krieger, Mistress. Jene, die durch Euch Ehre erlangt haben, werden vor den Göttern Euer Lob preisen.« Er brach ab, denn die Sänfte schien zu schaukeln. »Mylady?«
Papewaio blickte hinein, um nachzusehen, was mit seiner Herrin geschehen war. Mara hielt ihr Gesicht hinter den Händen verborgen und vergoß Tränen der Wut. Papewaio ließ sie eine Zeitlang in Ruhe. Dann meinte er: »Wenn die Schlucht überflutet ist, wird der Lord der Tuscalora es nicht einfach haben, seine Ernte zum Markt zu bringen.«
Mara nahm die Hände herunter. Trotz der roten Augen und ihrer Blässe spiegelte ihr Gesicht den Triumph wider, den sie mit ihrer Schläue erzielt hatte. »Wenn Jidu den langen Weg um die Schlucht herum nehmen muß, um die Kaiserliche Straße zu erreichen, werden die Chocha-la längst verdorben sein, bevor er Sulan-Qu erreicht. Der gute Lord der Tuscalora wird in große Not geraten, denn ich bezweifle, daß er in der Lage ist, den von mir geforderten Preis für die Benutzung meiner Needra-Brücke zu zahlen.« Als Papewaio seine Herrin neugierig anblickte, fuhr sie fort: »Ihr habt gehört, daß Jidu geschworen hat, sich den Acoma niemals zu widersetzen? Nun, das ist zumindest ein Anfang. Dieser fette Hund wird mein erster Vasall sein. Innerhalb des nächsten Jahres, Pape, innerhalb des nächsten Jahres.«
Während der Truppenführer der Acoma weiterging, dachte er über das nach, was seine junge Herrin erreicht hatte, seit er und Keyoke sie aus dem Tempel geholt und nach Hause gebracht hatten. Er nickte innerlich. Ja, Jidu von den Tuscalora würde vor Mara in die Knie gehen müssen oder seine Ernte verlieren. So war das Spiel, und Mara hatte den Sieg errungen. Daran konnte kein Zweifel bestehen.
Die hell bemalte Sänfte, die im Hof des Herrenhauses der Acoma stand, bestätigte, daß Bruli von den Kehotara bereits auf die Lady der Acoma wartete. Mara unterdrückte ihren Ärger. Sie war gerade vom Stock der Cho-ja zurückgekehrt, deren rasch wachsende Königin einen wunderbaren Balsam für die verletzte Schulter Maras bereitgehalten hatte. Die junge Frau schickte ihre Träger und die Eskorte fort. Bevor sie sich bei Bruli wieder entschuldigen lassen und sich zurückziehen konnte, mußte sie ihn zumindest persönlich begrüßen, wenn sie nicht riskieren wollte, die Kehotara zu beleidigen. Das jedoch war möglicherweise einer der Gründe, weshalb der Lord der Minwanabi den gutaussehenden Sohn seines Vasallen auf das Gut der Acoma geschickt hatte.
Misa, die hübschere ihrer Kammerzofen, wartete bereits hinter der Tür im Haus. Sie hielt Kamm und Bürste bereit, und über ihrem Arm hing ein reich besticktes Obergewand, dessen Farben die dunklen Augen ihrer Herrin betonten. Mara erkannte, daß Nacoya hinter diesem Willkommenskomitee steckte, und ergab sich ohne Kommentar. Reglos, mit kaum wahrnehmbar gerunzelter Stirn stand sie da, während Misas geschickte Hände ihre Haare zu einem Knoten flochten, den sie mit juwelenbesetzten
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