Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Stunde der Wahrheit

Die Stunde der Wahrheit

Titel: Die Stunde der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond E. Feist
Vom Netzwerk:
verführerisch geben wie nur irgend möglich.«
    Mara zuckte beinahe zurück. »Soll ich die Kokette spielen und Süßholz raspeln?« Sie wandte sich zur Seite und reichte ihren Spitzenfächer einer Dienerin, die gekommen war, um ihr die Reisekleidung abzunehmen.
    »Das wäre nicht das Falscheste.« Nacoya ging zu einer Truhe und fischte eine kleine Phiole heraus. Dann summte sie leise zu dem Plätschern des Badewassers; es war eine alte Weise, die sie aus ihrer Jugend kannte und die dem Werben diente. Jetzt erschien Mara, in weiche Tücher gehüllt, hinter der Trennwand. Die alte Frau winkte die Dienerinnen beiseite und tropfte eine exotische Essenz auf Schultern, Handgelenke und zwischen die Brüste des Mädchens. Dann hob sie die Tücher hoch und betrachtete die nackte Gestalt ihrer Herrin. Sie widerstand dem Impuls zu kichern. »Ihr habt einen schönen, gesunden Körper, Mara-anni. Wenn Ihr Euch ein bißchen graziöser und eleganter bewegen könntet, habt Ihr in einer einzigen Minute sämtliches Blut aus seinem Kopf verbannt.«
    Mara war ganz und gar nicht überzeugt und stellte sich vor das spiegelnde Glas, ein kostbares Geschenk eines Clanführers an ihrem Hochzeitstag. Gegen seine dunkle Patina präsentierte sich ein abgeblendeter Schatten ihrem Blick. Die Geburt hatte nur wenige Spuren auf dem gedehnten Gewebe hinterlassen, eine Folge der ständigen Pflege mit speziellen Ölen während der Schwangerschaft. Ihre Brüste waren etwas größer als vor dem Austragen Ayakis, doch ihr Bauch war so flach wie immer. Nach der Geburt ihres Sohnes hatte sie mit den Übungen des Tan-che begonnen, einem sehr alten, formellen Tanz, der den Körper stärkte und ihn gleichzeitig beweglich hielt. Doch Mara fand ihre schlanke Gestalt wenig attraktiv, besonders seitdem sie Teanis Reize gesehen hatte.
    »Ich werde mich ziemlich dumm fühlen«, gestand sie ihrem Spiegelbild. Nichtsdestotrotz erlaubte sie den Dienerinnen, sie in das dürftige Gewand zu kleiden und sie mit verschiedenen blitzenden Juwelen sowie einer Schleife um ihr rechtes Fußgelenk zu schmücken. Weite Bauschärmel verbargen den Verband am Oberarm. Inzwischen laut summend, trat Nacoya hinter ihre Herrin und band ihr die Haare auf dem Kopf zusammen. Sie bändigte sie mit Nadeln aus Elfenbein und Jade, zupfte dann aber ein paar Locken heraus, mit denen sie kunstvoll das Gesicht umrahmte. »So; Männer mögen es, wenn Frauen etwas unordentlich aussehen. Es fördert ihre Vorstellung, wie die Frau am Morgen aussehen könnte.«
    »Mit verschlafenem Blick und geschwollenem Gesicht?« Mara lachte beinahe.
    »Bah!« In gespieltem Ernst drohte Nacoya ihr mit dem Finger. »Ihr müßt erst noch lernen, was die meisten Frauen instinktiv wissen, Mara-anni. Schönheit ist ebensosehr eine Frage der Haltung wie des Gesichts und der Gestalt. Wenn Ihr den Garten wie eine Kaisenn betretet und Euch ganz langsam bewegt, als ob jeder Mann, der Euch sieht, Euer Sklave sei, wird Bruli ein Dutzend wunderschöner Tänzerinnen ignorieren, nur um Euch in sein Bett zu kriegen. Die Beherrschung dieser Kunst ist für eine Herrscherin genauso wichtig wie das Verwalten ihrer Ländereien. Denkt daran: Ihr müßt Euch langsam bewegen. Wenn Ihr sitzt oder Wein trinkt, seid so elegant wie möglich, wie eine Frau der Ried-Welt, wenn sie sich über die Balkonbrüstung zur Straße hinabbeugt. Lächelt und hört Bruli zu, als wäre alles, was er sagt, von außerordentlicher Brillanz, und sollte er einen Witz machen, so lacht um der Götter willen, selbst wenn es ein armseliger Scherz ist. Und wenn Euer Gewand etwas verrutscht und ein bißchen von Eurem Körper freigibt, laßt ihn einen kurzen Blick darauf werfen, bevor Ihr es wieder zurechtrückt. Ich möchte, daß dieser Sohn der Kehotara wie ein Needra-Bulle in der Brunftzeit hinter Euch herschnaubt.«
    »Ich hoffe nur, daß sich der Plan als richtig erweist«, meinte Mara angeekelt. Sie fuhr mit den Fingern über die klimpernden Ketten an ihrem Hals. »Ich fühle mich wie die Gliederpuppe eines Händlers. Aber ich werde versuchen, mich wie Buntos kleine Hure Teani zu verhalten, wenn du glaubst, daß uns das einen Vorteil bringen könnte.« Dann wurde ihre Stimme schärfer: »Aber verstehe eines, Mutter meines Herzens. Ich werde diesen jungen Pfau nicht in mein Bett nehmen.«
    Nacoya lächelte bei ihrem Vergleich mit dem gefiederten Vogel, den sich viele Edlen wegen seiner Schönheit hielten. »Ein Pfau ist er in der Tat, Mistress, und mein Plan

Weitere Kostenlose Bücher