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Die Stunde der Wahrheit

Die Stunde der Wahrheit

Titel: Die Stunde der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond E. Feist
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erfordert, daß er uns sein schönstes Gefieder zeigt.«
    Mara schaute gen Himmel, dann nickte sie. Sie ging in ihrem üblichen forschen Gang los, erinnerte sich jedoch daran, mit der größtmöglichen Nachahmung einer Frau der Ried-Welt aus der Tür zu treten. Sie versuchte lässig zu wirken, als sie sich dem jungen Bewerber näherte, und errötete vor Scham. Mara hielt ihren Auftritt für übertrieben bis an die Grenze der Peinlichkeit, doch Bruli saß aufrecht auf seinen Kissen. Er lächelte breit, sprang auf und verneigte sich tief vor der Lady der Acoma, während seine Augen in ihrem Anblick zu versinken drohten.
    Als Mara es sich auf den Kissen bequem gemacht hatte, wollte der junge Mann ihr sogar selbst Wein einschenken, doch der Diener – Arakasi in Verkleidung – kam ihm zuvor. Seme Haltung zeigte keinerlei Spuren von Mißtrauen, doch Mara wußte, er würde niemals zulassen, daß seine Mistress ein Glas benutzte, das ein Vasall der Minwanabi berührt hatte. Als Mara sich plötzlich bewußt wurde, daß Bruli aufgehört hatte zu sprechen, warf sie ihm ein strahlendes Lächeln zu. Dann senkte sie beinahe schüchtern die Augen und heuchelte tiefes Interesse. Seine Gesprächsthemen waren banal und betrafen Leute und Ereignisse von geringer Bedeutung. Doch sie lauschte dem Klatsch des Hofes und der Städte, als würde das alles sie interessieren, und sie lachte bei Brulis Versuchen zu scherzen. Arakasi dirigierte die Haussklaven, die mit Tabletts voller weingetränkter Früchte kamen und gingen. Als Brulis Atem immer stärker nach Alkohol roch, löste sich seine Zunge, und sein Lachen dröhnte durch den Garten. Ein-oder zweimal legte er seine Finger leicht auf Maras Handgelenk, und wenn sie auch nicht im geringsten berauscht war, lief eine Gänsehaut über ihren Körper. Träge fragte sie sich, ob Nacoya vielleicht recht hatte und es mehr Liebe zwischen Männern und Frauen gab, als Buntokapis harter Umgang enthüllt hatte.
    Doch sie blieb wachsam. Wenn auch Mara das Ganze lächerlich vorkam, unbeholfen, wie sie sich in der Rolle der Verführerin fühlte, so sagte ihr der distanzierte Teil ihres Bewußtseins, daß Bruli ganz und gar verzaubert war. Er wandte niemals seinen Blick von ihr. Einmal, als sie Arakasi zuwinkte, noch mehr Wein einzuschenken, rutschte ihr Gewand leicht auseinander. Sie nahm sich Nacoyas Rat zu Herzen und zögerte einen Augenblick, bevor sie es wieder schloß. Brulis Augen weiteten sich, und sein Blick schien auf der kleinen Wölbung ihrer leicht enthüllten Brüste haften zu bleiben. Sie fand es merkwürdig, daß eine solche Sache einen derart gutaussehenden Mann so aufwühlen konnte. Er mußte schon viele Frauen gehabt haben; warum sollte eine weitere ihn nicht langweilen? Doch Nacoyas Weisheit stützte sich auf die Erfahrungen vieler Jahre. Mara folgte der Anleitung ihrer Beraterin und ließ zu, daß einige Zeit später der Saum ihrer Robe etwas nach oben rutschte.
    Bruli stolperte über seine eigenen Worte. Er lächelte und trank immer mehr Wein, um seine Unbeholfenheit zu verbergen, doch er konnte nicht anders, als auf den sich langsam entblößenden Oberschenkel zu starren.
    Nacoya hatte recht gehabt. Mara trieb das Spiel noch etwas weiter. »Bruli, mit Eurer Erlaubnis möchte ich mich jetzt zurückziehen. Doch ich hoffe, Ihr habt Zeit und könnt mich wieder besuchen, sagen wir in« – sie zog einen Schmollmund, als wäre die Entscheidung darüber sehr schwierig, dann lächelte sie – »zwei Tagen, ja?« Sie versuchte sich so anmutig wie möglich zu geben, als sie aufstand, und kunstvoll rutschte ihr Gewand noch etwas weiter auseinander als zuvor. Brulis Gesicht wurde dunkelrot. Zu Maras Genugtuung versicherte er nachdrücklich, daß er außerordentlich gern zurückkehren würde. Dann seufzte er auf, als wären zwei Tage eine sehr lange Zeit.
    Mara verließ den Garten, sich nur zu deutlich bewußt, daß er sie mit seinen Augen verfolgte, bis sie im Schatten des Hauses verschwunden war. Nacoya wartete an der ersten Tür; am Glitzern in ihren Augen war zu erkennen, daß sie das ganze Stelldichein beobachtet hatte.
    »Haben alle Männer ihr Hirn zwischen den Beinen?« wollte Mara wissen. Sie runzelte die Stirn, als sie Brulis Verhalten mit der ernsten Art ihres Vaters und dem spitzbübischen Charme ihres Bruders verglich.
    Nacoya scheuchte ihre Mistress brüsk vom Fensterladen weg. »Die meisten ja, den Göttern sei Dank.« Sie blieb vor der Tür zu Maras Gemächern stehen.

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